Suppen und Seelsorge

Auch wenn Eppendorf ein wohlhabender Stadtteil ist: Die Suppen­küche der Hauptkirche St. Nikolai ist seit einem Jahr sehr gefragt. Inzwischen werden die Lebensmittel knapp.

Warm und lecker: Christina Japp (l.) lässt sich von Antje Löw eine Kartoffelsuppe geben
Warm und lecker: Christina Japp (l.) lässt sich von Antje Löw eine Kartoffelsuppe gebenTimo Teggatz

Hamburg. Gelb hat heute Glück. Wer zur gelben Gruppe gehört, kommt gleich zu Beginn um 14 Uhr dran. Blau muss sich noch eine halbe Stunde länger gedulden, dann kommt Grün an die Reihe und ganz zum Schluss wird es ernst für Rot. Christina Japp gehört zur gelben Gruppe und darf sich schon eine Kartoffelsuppe schmecken lassen. „Sehr lecker!“, lobt sie. Vor einem Monat ist sie hier Stammgast geworden – in der Suppenküche „Mit Laib und Seele“ der Hamburger Hauptkirche St. Nikolai.

Seit einem Jahr hilft die Einrichtung Bedürftigen, und schon zum Start Mitte April des vergangenen Jahres standen etwa 100 Menschen vor den Türen der Kirche am Klosterstern. Einige seien schon am frühen Morgen gekommen, erzählt Gemeindepastor Markus Schneider. Deshalb entschieden die Verantwortlichen schon kurz nach der Premiere: Alle bekommen einen Mitgliedsausweis in einer Farbe. Welche Farbe wann an die Reihe kommt, ändert sich jede Woche. Ein großes Schild gleich am Eingang zeigt die aktuelle Reihenfolge. So muss niemand mehr lange warten.

Wie die Suppenküche entstand

„Mit Laib und Seele“ ist eine Zusammenarbeit der Kirchengemeinde mit dem Verein „Hege Helping Hands“. Er wurde am Gymnasium Eppendorf gegründet, das an der Hegestraße liegt. Lehrer Norbert Grote wollte vor acht Jahren in einer Projektgruppe den Jugendlichen zeigen, dass nicht alle Menschen in Wohlstand lebten. Sie brachten Lebensmittel und Getränke zu Obdachlosen am Hauptbahnhof. Aus dieser Aktion wollten die Schüler und ihr Lehrer eine dauerhafte Hilfe machen – und fragten bei der Kirchengemeinde in Sachen Suppenküche an. Mit Erfolg, wie „Mit Laib und Seele“ seit einem Jahr zeigt.

Nudeln und mehr können sich die Bedürftigen mit nach Hause nehmen
Nudeln und mehr können sich die Bedürftigen mit nach Hause nehmenTimo Teggatz

Mittlerweile fährt der inzwischen pensionierte Lehrer Grote jeden Donnerstag zur Hamburger Tafel und sucht die Produkte aus, die am nächsten Tag für die Suppenküche geliefert werden. Für die Bedürftigen gibt es dann nicht nur eine warme Suppe und Kuchen, sondern auch Lebensmittel zum Mitnehmen, die im Vorraum der Kirche aufgebaut werden. Dort können sie sich an Ständen bedienen. „Heute habe ich Waschmittel, Fertiggerichte, Orangen und ein Brot eingepackt“, erzählt etwa Christina Japp, die von Hartz 4 lebt, aber darauf hofft, bald eine neue Arbeit antreten zu können.

Braucht es in einem so wohl­habenden Stadtteil wie Eppendorf überhaupt eine Suppenküche? Tatsächlich würden nur wenige Menschen aus der direkten Umgebung kommen, sagt Pastor Schneider. Viele Teilnehmer seien in der Lenz-Siedlung, einem Hochhaus-Revier im benachbarten Eimsbüttel, zu Hause. Aber auch aus weit entfernten Stadtteilen wie Bergedorf und Jenfeld kämen die Bedürftigen an den Klosterstern. Das liegt für Schneider auch daran, dass die U-Bahnstation nur ein paar Meter von der Kirche entfernt ist. Insgesamt seien etwa 60 Prozent Geflüchtete – seit ein paar Wochen auch aus der Ukraine.

Aufruf zu Spenden

Nicht zuletzt wegen der neuen Gäste werden langsam die Lebensmittel der Suppenküche knapp. Die Gemeinde ruft deshalb dazu auf, Haltbares und Hygienartikel zu spenden. Sie können in einen Korb am Eingang abgelegt werden.


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Jede Woche sind für „Mit Laib und Seele“ etwa 40 Helfer ehrenamtlich im Einsatz. Manche gehören zur Kirchengemeinde, andere kommen aus dem Viertel, einige haben über das Gymnasium Eppendorf zur Suppenküche gefunden – so wie der 19-jährige Ben Ameskamp, der im vergangenen Jahr sein Abitur gemacht hat. Es mache einfach Spaß, anderen Menschen zu helfen, sagt er.

Diese Unterstützung beschränkt sich nicht nur darauf, Lebensmittel auszugeben. Oft helfen die Ehrenamtlichen auch, wenn es um Briefe an Ämter oder eine Bewerbung geht. Und Markus Schneider ist manchmal mit einer klassischen Pastorenaufgabe gefordert: Seelsorge.