Sütterlin: Lernschrift für Schulanfänger
UK 46/2017, Sütterlin (Seite 11: „Schnörkel und Zacken“)
Sehr interessant war der Bericht zum 100. Todestag von Ludwig Sütterlin (1865-1917) zu lesen. Schaut man sich in heutiger Zeit alte Schreibhefte aus dieser Zeit von 1915 bis1941 an, dann ist es schon sehr erstaunlich, mit welcher Präzision die Sütterlinschrift zu Papier gebracht wurde. Als Person im fortgeschrittenen Alter erinnere auch ich mich noch gut dieser Zeit, als uns in der Volksschule die Sütterlinschrift beigebracht wurde. Leider wurde sie dann von den Nazis zu Beginn des Zweiten Weltkriegs verboten.
Wer sich mit den Texten in alten Tagebüchern, Poesiealben sowie alten Briefen, insbesondere auch mit den Feldpostbriefen aus den beiden Weltkriegen beschäftigt, Familienforschung betreibt, oder aus dem von einer längst verstorbenen Verwandten zusammengestellten Kochbuchrezepten Anregungen aufgreifen will, der kommt nicht umhin, sich mit der alten deutschen Schrift zu beschäftigen. Die meisten unserer Zeitgenossen dürften jedoch Probleme haben, wenn sie die deutsche Schrift ihrer Großeltern und Urgroßeltern lesen müssen.
Da Sütterlins Buchstaben alle senkrecht stehen und nahezu geometrisch aus Geraden und aus Kreisformen zusammengesetzt sind, wirkt seine Schrift eher etwas steif und ungelenk. Dieser Vorwurf ist jedoch meines Erachtens zu relativieren, da er seine Buchstabenformen nur als Lernschrift für Schulanfänger sah, aus der sich dann eine eigene Handschrift, auch im Hinblick auf die Schreibrichtung, entwickeln sollte.
Das Ende der deutschen Schrift als Schreib- und Frakturschrift trat im Jahr 1941 durch einen Erlass der Reichsleitung der NSDAP ein. Darin wurde mitgeteilt, dass es falsch sei, die sogenannte gotische Schrift als eine „deutsche Schrift“ anzusehen. Mitten im Zweiten Weltkrieg wurden so die alten Buchstabentypen auf allen Anwendungsgebieten durch die Antiqua (Lateinschrift aus der lateinischen Quadrat-und der Humanistenschrift abgeleitete Druckschrift) ersetzt, die nach Anordnung der Regierenden dann „Deutsche Normalschrift“ hieß. In den ersten Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Schüler vielerorts durch Lese- und Schreibübungen mit der deutschen Schrift bekannt gemacht. Inzwischen spielt sie in den Lehrplänen keine Rolle mehr. Zwangsläufig ist die Zahl derer, die mit dieser Schrift umgehen können, kontinuierlich zurückgegangen.
Albert H. Hoffmann, Arnsberg-Müschede