Südafrika: Kohleausstieg mit vielen Hürden
Es ist nur ein kleiner Moment des Innehaltens, den sich Sihlangu Dube erlaubt, bevor er in die Dunkelheit steigt. Gerade so lang, wie er braucht, um sich zu bekreuzigen. Dann geht der 43-Jährige die 82 Stufen hinunter in die alte Kohlemine nahe Ermelo, einer kleinen Stadt im Osten Südafrikas.
Mehr als 2.000 solcher Minen sind in dem Land zu finden: Alte Abbaugebiete, die für die kommerzielle Nutzung uninteressant geworden sind und nun als offene Löcher in der Landschaft klaffen. Die ungesicherten Schächte sind allgemein zugänglich. Eigentlich will Südafrika raus aus der Kohle. Doch für die Kleinbergleute von Ermelo bleibt sie eine wichtige Einnahmequelle.
„Es ist immer noch Kohle dort unten vorhanden, aber eben nicht mehr genug, dass es sich für die internationalen Firmen lohnen würde, dort zu graben“, erklärt Zethu Hlatshwayo. Der 41-Jährige ist Vorsitzender der Nationalen Vereinigung Artisanaler Bergleute (Naam). In Südafrika werden die Bergleute „Zama Zama“ genannt, was in der Zulu-Sprache etwa so viel bedeutet wie „es zu versuchen und erneut zu versuchen“. Sie seien keine Kriminellen, „sondern einfach Leute, die versuchen, über die Runden zu kommen“, erklärt Hlatshwayo.
Trotz der Gefahren – immer wieder gibt es tödliche Unfälle – sieht der Kleinschürfer Dube keine Alternative. Wie sonst solle die Wellblechhütte im Winter beheizt werden, fragt er. Mit rund 41 Prozent Arbeitslosigkeit fühlen sich insbesondere in den ländlichen Gegenden viele Südafrikanerinnen und Südafrikaner abgehängt und vergessen. Wo es keinen Stromanschluss gibt, ist Kohle die wichtigste und preisgünstigste Energiequelle im Alltag. Dicke, gräulich-gelbe Rauchschwaden vernebeln vielerorts die Straßen.
Doch auch insgesamt spielt die Kohle immer noch eine bedeutende Rolle. Mehr als 80 Prozent des landesweiten Stroms werden durch Kohlekraftwerke produziert. Dies gilt als das größte Hindernis für die Erreichung der selbstgesteckten Klimaziele. Bis 2050 möchte Südafrika klimaneutral sein. Die Regierung hat sich deswegen der „Just Energy Transition“ verschrieben, einer Energiewende, die auch sozial gerecht ist.
Mehr als 90.000 Menschen sind noch in den Kohleminen des Landes angestellt. Hinzu kommen die vielen Tausend Arbeitsplätze, die sich rund um diese Industrie entwickelt haben. Nach und nach sollen sie in grüne Jobs umgewandelt werden. Dafür erhält das Schwellenland internationale Hilfe. Deutschland, Frankreich, die USA, Großbritannien und die EU unterstützen die Energiewende mit insgesamt rund 8,5 Milliarden US-Dollar.
Um den finanziellen Rahmen solcher Vorhaben wird in wenigen Tagen bei der 29. UN-Klimakonferenz in Aserbaidschans Hauptstadt Baku gerungen. Denn bei dem zweiwöchigen Gipfel vom 11. bis 22. November müssen sich die Staaten auf ein neues Ziel für die Klimahilfen für die Länder des Globalen Südens einigen.
Indes schreitet der Abschied von der Kohle in Südafrika auch mit internationaler Hilfe nur langsam voran. Zwar wurden einige Initiativen schon begonnen, etwa Programme zur Ausbildung von Solaringenieuren oder die Installation von Solarparks. Allerdings sei es bislang ein schwieriges Unterfangen, den Energiesektor Südafrikas umweltfreundlich zu revolutionieren, sagt David van Wyk von der Nichtregierungsorganisation „Bench Marks Foundation“. Zu viele politische und wirtschaftliche Interessen seien darin verwoben. Tatsächlich nehmen auch heute noch eine Handvoll großer Bergbauunternehmen Einfluss auf die Wirtschaftspolitik – und auch Südafrikas kürzlich wiedergewählter Präsident Cyril Ramaphosa hat enge Verbindungen in den Bergbausektor.
In der Vergangenheit habe sich immer wieder gezeigt, dass nur eine kleine südafrikanische Elite von solchen Initiativen profitiere, sagt van Wyk mit Blick auf die grassierende Korruption. Wünschenswert sei die Wende allemal, vor allem, wenn sie, so wie die Ziele es vorgeben, eine „Wende für alle“ sei.
Wie lange es jedoch noch dauert, bis diese Vision aus Konferenzsälen in die abgelegenen Winkel Südafrikas vordringt, weiß niemand. Offen ist zudem, ob am Ende auch die Arbeiterinnen und Arbeiter im informellen Sektor Beachtung finden. Der Kleinschürfer Sihlangu Dube jedenfalls würde eine sozial gerechte Energiewende begrüßen: bessere Arbeitsbedingungen und sauberere Luft? Je eher, desto besser, sagt er.