Digitale Bewegungen wirken weit über Bildschirme hinaus: Laut einer Forscherin können soziale Medien politisches Engagement fördern, aber auch antidemokratisches Verhalten. Weshalb sie klare Regeln fordert.
Soziale Medien können hilfreich sein, um Proteste oder andere Formen der demokratischen Beteiligung zu organisieren: Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie der Forscherin Annalí Casanueva-Artís vom Münchner Ifo-Institut, wie dieses am Donnerstag mitteilte. Gleichzeitig könnten dieselben Strukturen auch die Hemmschwelle für antidemokratisches Verhalten senken.
Vor allem Gruppen, die sich “von den traditionellen Medien oft ignoriert fühlen”, könnten von sozialen Medien profitieren, heißt es. Diese könnten sich digital auch über Grenzen hinweg schnell ausbreiten. Derartige Bewegungen benötigten keine hierarchischen Strukturen oder formelle Organisationen wie etwa Parteien. “Dadurch sind sie schneller, effizienter und einfacher zu organisieren. Die Bewegungen #MeToo und Black Lives Matter sind gute Beispiele dafür”, so Casanueva-Artís.
Auch könnten Online-Proteste viel in der Offline-Welt bewirken: So habe sich gezeigt, dass ein hohes Engagement für die Black-Lives-Matter-Bewegung, die hauptsächlich über soziale Medien organisiert wird, mit liberaleren Ansichten und sogar mit einem Rückgang der Diskriminierung am Arbeitsplatz verbunden sei. Doch auch bei Ereignissen wie dem Angriff auf das US-Kapitol im Januar 2021 seien es soziale Medien gewesen, die die Akteure zur Vernetzung nutzten, um sich zu Gewalt anzustacheln, schreibt Casanueva-Artís.
Um das Potenzial der digitalen Proteste zu nutzen und gleichzeitig deren Risiken einzudämmen, brauche es “gut durchdachte Vorschriften durch den europäischen Gesetzgeber”, forderte die Forscherin. Dies diene der Einschränkung von Falschinformationen und der Mobilisierung in politischen Prozessen. “Damit digitales Engagement die Demokratie wirklich stärken kann, muss es inklusiv sein”, so Casanueva-Artís. “Regierungen und Institutionen sollten es engagierten Bürgerinnen und Bürgern sowie Organisationen erleichtern, sich an politischen Prozessen zu beteiligen.”