Studie: Abtreibung langfristig ohne Auswirkung auf Psyche
Kurzfristig ja, langfristig nein: Ungewollte Schwangerschaften haben langfristig keine Auswirkungen auf die Psyche, ob ausgetragen oder abgebrochen, so eine Studie – allerdings ist die Zahl der Befragten gering.
Laut einer Studie hat eine ungewollte Schwangerschaft langfristig keine Auswirkungen auf die psychische Gesundheit von Frauen. Das gelte sowohl für Frauen, die das Kind austragen, als auch für die, die eine Abtreibung vornehmen ließen, heißt es in den am Mittwoch vorgestellten ersten Ergebnissen der aus mehreren Teilprojekten bestehenden Studie. Nach etwa einem Jahr gebe es Anhaltspunkte dazu, dass das Abbrechen einer Schwangerschaft mit psychischen Belastungen einhergehe. Unmittelbar nach der Schwangerschaft oder nach einer Abtreibung geht es demnach beiden Frauengruppen psychisch schlechter als zuvor.
Die große Koalition aus Union und SPD hatte in der vergangenen Legislaturperiode einen Forschungsverbund mit der Erstellung der sogenannten Elsa-Studie beauftragt. Elsa steht für „Erfahrungen und Lebenslagen ungewollt Schwangerer – Angebote der Beratung und Versorgung“. Vorgestellt wurden jetzt erste Ergebnisse der Studie, offiziell wird sie im Oktober vorgestellt.
Die Autoren und Autorinnen beziehen sich auf die Ergebnisse von Online-Befragungen. Sie werteten Daten von 3.391 gewollt eingetretenen und ausgetragenen Schwangerschaften sowie 572 ungewollt eingetretenen und ausgetragenen Schwangerschaften aus. Daneben gab es eine nicht-repräsentative Zusatzstichprobe von 608 Frauen mit ungewollt eingetretenen und abgebrochenen Schwangerschaften.
Die Autoren betonten, dass die Lebenssituation von Frauen mit einer ungewollten Schwangerschaft unterschiedlich sei. Diese könne etwa durch Krisen oder fehlende Partnerschaft geprägt sein, durch eine angespannte finanzielle Situation oder durch ein nach eigener Einschätzung zu junges Alter.
Zudem berichten die Frauen, die einen Abbruch vornehmen ließen, laut Studie über Stigmen, die sie erlebt oder die sie aus eigenem Empfinden hätten. Demnach haben 71,4 Prozent der Befragten kein Stigma erlebt, 28,6 Prozent berichten von Vorwürfen durch Familie, Freunde oder medizinisches Personal. Als Beispiele nannten die Autoren, dass nahe stehende Personen sich enttäuscht über den Abbruch geäußert hätten oder dass medizinisches Personal Vorwürfe geäußert habe. Rund 45,6 Prozent hätten sich mit der Abtreibung alleingelassen gefühlt und darunter gelitten, dass sie nach eigenem Ermessen nicht darüber sprechen durften.
Auch Medizinerinnen und Mediziner, die einen Abbruch durchführen, wurden befragt. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass 65 Prozent der Befragten privat, beruflich oder öffentlich stigmatisiert würden.
In weiteren Teilprojekten untersuchten die Autoren die Erreichbarkeit von Praxen, die eine Abtreibung durchführen. Ungewollt schwangere Frauen haben in den östlichen Bundesländern demnach den einfachsten Zugang zu diesen Praxen. Eine Ausnahme ist Brandenburg. Im Westen zeigt die Untersuchung die dichteste Versorgung in Schleswig-Holstein, Hamburg und Bremen und die am wenigsten dichte in Rheinland-Pfalz, Bayern und Baden-Württemberg. Eine schlechtere Erreichbarkeit sei für die schwangeren Frauen emotional sehr belastend, heißt es in der Studie.
Nach Paragraf 218 im Strafgesetzbuch ist ein Schwangerschaftsabbruch in Deutschland rechtswidrig. Er bleibt aber bis zur zwölften Schwangerschaftswoche straffrei, wenn es zuvor eine Beratung gab und ein Beratungsschein ausgestellt wurde. Zwischen Beratung und Abtreibung müssen mindestens drei Tage vergehen.
Die Empfehlungen einer von der Bundesregierung eingesetzten Kommission waren am Montag bekannt geworden. Sie empfiehlt eine Liberalisierung der bisherigen Gesetzgebung. Eine der Hauptverantwortlichen der Elsa-Studie, die Gesundheitswissenschaftlerin Daphne Hahn, ist auch Mitglied der von der Bundesregierung eingesetzten Kommission. Die katholische Kirche tritt für die Beibehaltung der bisherigen Regelung ein, die evangelische für ein abgestuftes Schutzkonzept.
Die Studie war vom damaligen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) initiiert worden. Er wollte ursprünglich ausschließlich die seelischen Folgen von Schwangerschaftsabbrüchen untersuchen lassen. Nach Kritik auch aus der Wissenschaft wurde der Ansatz für die Studie verändert und erweitert.