Stromkasten, Plattencover und eine Bauzaunwand

Gelbe Farbe zerläuft auf der Gebäudefassade und führt noch ein ganzes Stück auf den Weg hinaus. An einer Mauer finden sich Blumen, die mit einem Hochdruckreiniger gemalt wurden. Sobald die Mauer wieder dreckiger wird, verschwinden sie. Nicht nur innen, sondern auch außen präsentiert das Historische Museum Saar seit Samstag Street Art und Graffiti. Im Inneren geht es bis zum 23. Februar unter dem Titel „Illegal. Street Art Graffiti 1960-1995“ aber vor allem um die Geschichte.

Zu sehen sind Werke von 120 Künstlerinnen und Künstler aus über einem Dutzend Ländern. „Wer in der Illegal-Schau Originale vermisst, dem sei
gesagt: Sie existieren nicht mehr“, sagt Kurator Ulrich Blanché. Museumsdirektor Simon Matzerath betont, dass manche Werke nur für Minuten, andere für Stunden, Tage oder Wochen produziert worden seien. „Eins ist allen gemeinsam, sie sind niemals für ein Museum gedacht gewesen“, sagt er. „Es gibt nichts, was für den Kunsthandel produziert wurde, es gibt keine Auftragsarbeiten.“

Unter der ausgestellten Kunst finden sich vor allem Fotos, die die jeweilige Arbeit dokumentieren. Sie sind auf Wände und Boden geklebt oder mit dem Beamer projiziert. Manche auch in Lebensgröße. Dazu gibt es Schallplattencover, Skizzenbücher, Buchcover und auch französische Zeitungsseiten aus der Region. QR-Codes bieten englisch- und französischsprachigen Gästen die Möglichkeit, die Ausstellungstexte in diesen Sprachen zu lesen. Es ist auch geplant, die Schau digital aufzubereiten, damit sie auch nach ihrem Ende weiterhin virtuell besichtigt werden kann.

Weitere ausgestellte Objekte sind ein vom Künstler OZ gestalteter Stromkasten sowie eine Freiheitsstatue auf einem Stück Sperrholz-Wand eines Bauzauns, die die US-amerikanische Künstlern Jane Bauman 1983 in New York erstellte. Nur durch Zufall existiert es noch. 40 Jahre nach der Kreation hatte Bauman ein Schwarz-Weiß-Foto von ihrem Werk veröffentlicht. Ein Sammler meldete sich daraufhin, dass er es geklaut habe und fragte, ob sie es wieder haben wolle, berichtet Blanché. Nun hat Bauman es dem Saarbrücker Museum geschenkt. Die Wand ins Saarland zu bekommen sei aber fast an einem Versanddienstleister gescheitert, berichtet der Kurator. Das Unternehmen habe zwischendurch erklärt, das Werk schreddern zu wollen.

Die Schau läuft parallel zur „Urban Art Biennale“ der Völklinger Hütte. Zu sehen sind dort bis zum 10. November 150 Werke, die aus der Street Art und Graffiti entstanden sind. „Wir sind so ein bisschen die Ur- und Frühgeschichte“, sagt Blanché. Die Völklinger Hütte bietet wiederum zeitgenössische Werke. Dadurch ergänzen sich die beiden Ausstellungen.

„Illegale Street Art wird oft mit spontanem, gedankenlosem Vandalismus gleichgesetzt“, erklärt der Kurator. Dabei hätte sie genau vorbereitet werden müssen. Schnell und gut sei die Regel gewesen. Denn die Kürze sei der Illegalität geschuldet.

Museumsdirektor Matzerath betont, dass die Arbeit an der Schau und dem Katalog viele neue Forschungsergebnisse hervorgebracht habe. „Die Ausstellung zeigt auch eine deutlich weiblichere Geschichte von Street Art und Graffiti“, sagt er. „Wir haben prägende Künstlerinnen aus den 60er Jahren ermitteln können.“

Künstlerin Bauman, die zwischenzeitlich Kunstprofessorin wurde, ist extra für die Schau nach Saarbrücken gekommen: Die Ausstellung erstrecke sich über drei Dekaden, in denen „die Straßen unsere Leinwände wurden“, sagt sie.
„Egal in welche große Stadt der Welt man geht, man wird Street Art und Graffiti entdecken“, betont die Künstlerin. „Es ist wahrhaft eine internationale Bewegung.“ Das zeige auch die Ausstellung. Sie präsentiere nicht nur die Essenz der Street Art, sondern auch ihre Vielfalt.