Artikel teilen:

Streit um “Judensau” in Calbe beendet – Kunstwerk soll Sicht nehmen

Lange Zeit schwelte der Streit um eine antisemitische Figur an einer evangelischen Kirche in Sachsen-Anhalt. Nun scheint eine Lösung gefunden: Ein neues Kunstwerk soll den Blick auf die “Judensau” beschränken.

Der Streit um eine antisemitische Figur in Calbe in Sachsen-Anhalt kommt zu einem Ende: An der sogenannten Judensau-Darstellung an der Fassade der evangelischen Sankt-Stephani-Kirche soll ein Kunstwerk installiert werden. Das teilte die Evangelische Kirche Mitteldeutschland (EKM) am Mittwoch in Magdeburg mit. Die Anbringung des Kunstwerkes solle Ende des Jahres abgeschlossen sein, sagte ein Sprecher der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Ausgangspunkt der Kontroverse ist einer von 14 Wasserspeiern unterhalb des Dachsimses, den sogenannten Chimären. Dort wird ein Jude dargestellt, der sein Gesicht dem Hinterteil einer Sau zuwendet. Als sich die Plastik vor einigen Jahren in einer Sanierung befand, wehrte sich der Rat der Kirchengemeinde gegen die Wiederanbringung. Doch die zuständige Denkmalschutzbehörde habe die Figur 2020 wieder am Kirchpfeiler anbringen lassen, so der Sprecher. Seitdem habe die Gemeinde die Figur mit Netz und Stricken verhüllt.

Nach Gesprächen zwischen Vertretern von Denkmalschutz und Kirche ist es zu einem Kompromiss gekommen: Es werde eine “Barriere für die Wahrnehmung” als “gestaltende Intervention” erlaubt, heißt es seitens der Evangelischen Kirche. Eine Ausschreibung für ein Auftragskunstwerk konnte der Hallenser Künstler Thomas Leu gewinnen. So werde künftig unter dem Titel “Einfriedung” ein Geflecht aus Ölzweigen den Blick auf die Schmähplastik beschränken, so der Sprecher. Das Kunstwerk lege sich “wie ein Korb um die Plastik” und sei im Gespräch mit Vertretern der jüdischen Gemeinde entstanden.

Für das Projekt sei der Fördermittelbescheid nun erteilt worden. Zusammen mit der Ostdeutschen Sparkassenstiftung, der Kulturförderung des Landes und den kirchlichen Mitteln stehe die Finanzierung. Der Sprecher schätzt die Kosten inklusive einer Hinweistafel auf etwa 15.000 Euro.

Der evangelische Landesbischof Friedrich Kramer begrüßte den gefunden Kompromiss. Es sei gut, dass diese “kluge Form” der Verhüllung gefunden wurde: “Gerade in diesen Tagen, wo der Judenhass neu aufflammt, ist es wichtig, hier ein klares Zeichen seitens der Kirche zu setzen: Antisemitismus muss widersprochen werden.”

Auch Christian Staffa, Beauftragter für den Kampf gegen Antisemitismus der Evangelischen Kirche in Deutschland, zeigte sich erfreut: “Seit vielen Jahren mache ich mich für die Verhüllung dieser obszönen und gotteslästerlichen Bildwerke stark. Das Beispiel in Calbe zeigt, wie solch ein Weg gelingen kann.”