„Stillwater“ – Justizdrama mit Matt Damon als TV-Premiere

Es geht um eine Justizgeschichte, doch zugleich um einen Vater zwischen Verpflichtung und „freier“ Zuneigung. In dem Film „Stillwater“ ist durchaus der Fall Amanda Knox zu erkennen.

In Zusammenarbeit mit filmdienst.de und der Katholischen Filmkommission gibt die KNA Tipps zu besonderen TV-Filmen:

Bill Baker (Matt Damon) weiß, wie man anpackt. Auf der Ölplattform gibt es zwar keine Arbeit mehr für ihn, aber der rechtschaffene, gottesfürchtige Mann hat seine kräftigen Hände nie in den Schoß gelegt. Das Unglück seiner Tochter Allison (Abigail Breslin) konnte er trotzdem nicht verhindern: Seit Jahren sitzt die junge Frau in Frankreich hinter Gittern; alle Bemühungen darum, dass das Urteil wegen Mordes an ihrer Lebensgefährtin widerrufen wird, sind bisher umsonst.

Als Bill wieder einmal in Marseille landet, erfährt er, dass die französische Anwältin in Allisons Fall trotz berechtigter Zweifel nicht mehr tätig werden will. Gut die Hälfte ihrer neunjährigen Haft hat sie schon verbüßt, als herauskommt, dass der wahre Täter vielleicht ein Mann namens Akim gewesen sei könnte. Trotz sprachlicher und kultureller Hürden macht sich Bill nun auf eigene Faust ans Ermitteln.

Der mit den Erwartungen des Publikums spielende Film von Tom McCarthy von 2021 erzählt vom Straucheln eines ebenso fürsorglichen wie beziehungsunfähigen Vaters auf der Suche nach dem Familienglück. Dabei verschreibt er sich nicht naheliegenden Thriller-Momenten, sondern nimmt menschliche Tragödien und kleine Hoffnungsschimmer in den Blick.

Man hilft sich hier auf dem Land in Stillwater, Oklahoma. Ob beim Richten der Weidezäune oder wenn Schlimmeres passiert wie Tornados oder Feuer. Bill Baker (Matt Damon) weiß, wie man anpackt. Auf der Ölplattform gibt es zwar gerade keine Arbeit für ihn, aber der rechtschaffene, gottesfürchtige Mann hat die kräftigen Hände nie nur in den Schoß gelegt. Sein Leben ist ihm dennoch entglitten. Dabei wollte er für alle immer nur das Beste.

Nach dem frühen Tod seiner Frau hat er es als Alleinerziehender gemeinsam mit seiner Schwiegermutter Abigail (Deanna Dunagan) geschafft, seiner Tochter Allison (Abigail Breslin) ein Studium in Paris zu finanzieren. Viel vom Leben seiner Tochter hat er jedoch nicht mitbekommen.

Als er nun am Flughafen von Marseille ankommt, hätte er sich sicher gewünscht, dass seiner Familie die Schmach und die Schicksalsschläge erspart geblieben wären. Ist Allison eine Mörderin wie die Justiz in Frankreich entschieden hat? Trotz berechtigter Zweifel will die Anwältin im Fall seiner Tochter nicht mehr tätig werden.

Gut die Hälfte ihrer neunjährigen Haftstrafe hat sie bereits in Marseille verbüßt, als vermeintlich herauskommt, dass es ein ominöser Akim gewesen sein könnte, der den gewaltsamen Tod von Allisons Mitbewohnerin und Lebensgefährtin verursacht haben könnte.

Auch wenn er der französischen Sprache kaum mächtig ist, kommt für Bill eine Rückkehr nach Stillwater nicht in Frage. Doch seine an Verbissenheit grenzende Beharrlichkeit trägt Früchte. Zwar will ein Ex-Polizist zunächst zu viel Geld für das Auffinden des in den prekären Hochhaussiedlungen der Hafenmetropole verorteten Maghrebiners. Doch es gibt nicht nur Rückschläge.

Vor allem gibt es mit Virginie (Camille Cottin) unverhofft eine Helferin. Die alleinerziehende Theaterschauspielerin hat ein Herz für Gestrandete und nimmt Bill bei sich auf, nicht zuletzt, weil ihre Tochter Maya (Lilou Siauvaud) den grimmigen Gutmenschen in ihr Herz geschlossen hat. Ohne ihr Wissen macht er sich auf eigene Faust auf die Suche nach Akim und wird durch Zufall fündig.

„Stillwater“ ist ausdrücklich kein Film nach einer wahren Begebenheit. Keine Einblendungen, Orte oder Rollennamen lassen darauf schließen, dass sich Autoren und Regisseur auf den Fall der Amanda Knox beziehen könnten, die in Italien wegen eines vermeintlichen Mordes an einer Freundin mehrfach in Revisionsprozessen verurteilt und nach vierjähriger Haftzeit dann freigesprochen wurde. Trotz des sehr ähnlich gelagerten Falls geht es Tom McCarthy hier nicht um Justizkritik oder die Bewertung unterschiedlicher Rechtssysteme.

Nicht die Beschuldigte und ihr Weg stehen im Mittelpunkt der Geschichte, sondern der Seelenzustand eines Vaters. Wie kann man auf der einen Seite altruistisch sein, mit Fremden eine wunderbare Freundschaft, ja eine Art Liebe für sie entwickeln und andererseits, wenn es um die eigene Familie geht, „lediglich“ ein Pflichtbewusstsein entwickeln?

Während Bill zur kleinen Maya ein fast schon väterliches Verhältnis entwickelt, sieht er es zwar als seine ureigene Aufgabe an, seiner leiblichen Tochter zu helfen und für Gerechtigkeit zu sorgen, doch versteht er das Zusammenhalten der eigene Familie eher als eine Gottesprüfung, die eine innige, herzliche Beziehung nicht unbedingt vorsieht.

Matt Damon gibt dieser inneren Zerrissenheit zwischen Zuneigung ohne Verpflichtung einerseits und der auferlegten Verpflichtung in Familienangelegenheiten andererseits ein eindrückliches und glaubwürdiges Gesicht. „Ich bin kein schlechter Mensch“, sagt Akim flehentlich, als Bill ihn stellt. „Ich wollte nicht, dass alles so gekommen ist, wie es gekommen ist“, sagt Allison am Ende zu ihrem Vater. Und man möchte beiden ebenso glauben wie Bill, der ein herzensguter Mensch ist, auch wenn er mitunter das Gegenteil beweist.

McCarthy kreiert mit „Stillwater“ weder einen investigativen Thriller noch ein Gerichtsdrama. Er erzählt von menschlichen Tragödien und von wunderbaren Momenten, die die chronische Tragik des Daseins fast vergessen machen. Und er spielt mit den Erwartungen des Zuschauers, die sich allzu gerne von Vorurteilen und der sie bedienenden klassischen Hollywooddramaturgie leiten lassen, um am Ende bestätigt und gefestigt das Kino zu verlassen.

„Stillwater“ ist nicht leicht zu verstehen. Es ist auch nicht einfach, seine Figuren bedingungslos zu mögen. Der Film fordert vor allem im Finale viel Interpretationswillen. Doch gerade das macht McCarthys Antiheldenreise spannend und faszinierend.