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Stille zwischen den Kilometern

Einfach mal runterfahren. Nicht nur von der Autobahn, sondern auch vom hektischen Alltag. Wer in diesen Tagen Urlaub in Richtung Ostsee macht oder mit dem Lkw auf der A1 unterwegs ist, findet in Oldenburg in Holstein einen Ort für eine ganz besondere Pause: Die katholische St.-Vicelin-Kirche ist jetzt offiziell die erste Autobahnkirche in Schleswig-Holstein – und damit die nördlichste in ganz Deutschland.

„Wir möchten Reisenden eine Möglichkeit geben, zur Ruhe zu kommen“, sagt Hubertus Lürbke, Gemeindereferent der St.-Vicelin-Kirche und pastoraler Leiter der neuen Autobahnkirche. Die Idee, den Klinkerbau in eine Autobahnkirche umzuwandeln, gab es im Laufe der Jahrzehnte immer wieder. Jetzt sind pünktlich zur Feriensaison die neuen blauen Hinweisschilder aufgestellt, die Autofahrer in beiden Fahrtrichtungen – nach Hamburg wie nach Fehmarn – auf das Angebot aufmerksam machen.

Die Voraussetzungen waren ideal. „Unsere Kirche stammt aus den 60er Jahren, und vor 50 Jahren wurde die A1 direkt daran vorbei gebaut“, erzählt Lürbke. Gerade einmal 200 Meter trennen das Gotteshaus von der vielbefahrenen Autobahn. Schon von der Abfahrt aus ist der auf vier Pfeilern stehende Glockenturm gut sichtbar – ein weithin erkennbares Zeichen des Innehaltens.

Die Idee, die St.-Vicelin-Kirche in eine Autobahnkirche zu verwandeln, kam Lürbke während einer Reise. Auf Fahrten habe er selbst oft Autobahnkirchen besucht – das Bedürfnis nach einem Moment der Stille, einem Gebet, einer Pause für Körper und Geist. Über die Akademie des Versicherers im Raum der Kirchen, die bundesweit den Ausbau solcher Kirchen koordiniert, reichte er schließlich einen Vorschlag ein. Mit Erfolg.

Für die Kirchengemeinde selbst ändert sich wenig. „Technisch gesehen war schon alles da“, sagt Lürbke. Die Kirche ist groß genug, um sogar eine Busreisegruppe aufzunehmen, täglich von 8 bis 20 Uhr geöffnet und mit ausreichend Parkplätzen ausgestattet. Zusätzliche Personalkosten entstehen keine. „Der Betreuungsaufwand ist überschaubar“, sagt Lürbke. Er rechnet mit einem neuen, bunten Publikum: „Sicher, künftig werden häufiger ortsfremde Autokennzeichen auf dem Parkplatz stehen.“

Ihm geht es um mehr als nur einen neuen Zwischenstopp. Es geht um einen geistlichen Raum, der offen ist für alle: Urlauber, Sprinterfahrer aus Osteuropa, Einheimische. Kleine Gebetsheftchen und Reisesegen in mehreren Sprachen liegen bereit. Wer Gesprächsbedarf hat, findet eine Telefonnummer für seelsorgerliche Unterstützung. Und wer möchte, kann eine Kerze entzünden oder eine Fürbitte notieren, die dann im regulären Gottesdienst vorgelesen wird.

„Ein Besuch in der Autobahnkirche oder ein Gespräch können etwas anstoßen – auch wenn es manchmal erst zuhause Früchte trägt“, sagt Lürbke. Von anderen Autobahnkirchen wisse er, dass sich gelegentlich sogar Rückmeldungen im Fürbittenbuch finden. Begegnung, Hoffnung, Stille – das könne selbst am Rand der Autobahn geschehen. Lürbke hofft zudem auf eine ökumenische Zusammenarbeit.

Insgesamt gibt es in Deutschland aktuell 45 Autobahnkirchen. Die Kriterien für die Anerkennung sind streng: Maximal ein Kilometer von einer Abfahrt entfernt, Parkmöglichkeiten, sanitäre Anlagen, tägliche Öffnungszeiten von mindestens 8 bis 20 Uhr. Die St.-Vicelin-Kirche erfüllt all das und bietet damit künftig vielen Menschen eine „Rast für die Seele“ im wahrsten Sinne.