Stiftung: Frauenanteil unter jungen Obdachlosen “extrem hoch”
Jugendliche ohne ein Zuhause: Gerade unter jungen obdachlosen Menschen unter 27 Jahren gibt es besonders viele Mädchen, warnt eine Stiftung. Woran liegt das?
Der Mädchen- und Frauenanteil unter jungen Obdachlosen in Deutschland ist nach Zahlen einer Hilfsorganisation “extrem hoch”. Demnach sind 44 Prozent der jungen Obdachlosen unter 27 Jahren weiblich, wie die Stiftung “Off Road Kids” am Freitag in Bad Dürrheim mitteilte. Viele würden in verdeckter Obdachlosigkeit sexuell ausgebeutet.
Die Stiftung hat demnach im vergangenen Jahr bundesweit mehr als 7.300 junge obdachlose Menschen beraten. Knapp die Hälfte waren Mädchen und junge Frauen. Nahezu alle nahmen über die Internet-Hilfe “sofahopper.de” Kontakt zu der Organisation auf.
Damit sei der Frauenanteil bei jungen Obdachlosen “deutlich höher” als bei obdachlosen Menschen insgesamt: Laut Bundeswohnungslosenbericht gibt es in Deutschland rund eine Viertelmillion wohnungslose Menschen, davon sind 31 Prozent Frauen.
Einen wesentlichen Grund für den hohen Frauenanteil unter jungen Obdachlosen sehen die Sozialarbeiter der Stiftung in zu früh beendeter Jugendhilfe. “Da Mädchen früher in die Pubertät als Jungs kommen, entsteht beispielsweise in Kinderheimen und Wohngruppen schnell der Eindruck, sie seien bereits in der Lage, ihr Leben selbst zu regeln”, sagt Stiftungsvorsitzender Markus Seidel. Die wegen der leeren Kommunalkassen “massiv vorangetriebene Verselbstständigung von Heimkindern” geschehe deshalb früher als bei Gleichaltrigen in Familien und scheitere dann “brachial”.
Ein Grund für minderjährige Mädchen, aus der Familie zu flüchten, sei sexueller Missbrauch. Bei jungen volljährigen Frauen sei oft die Trennung von einem Lebenspartner die Ursache für den Verlust der Wohnung. “Immer wieder” flüchteten junge Frauen auch vor einer Zwangsverheiratung.
Insgesamt leben laut Wohnungslosenbericht bundesweit rund 38.000 junge Menschen unter 27 in versteckter oder offener Obdachlosigkeit. Ein Viertel sei in Notunterkünften untergebracht. Rund 6.000 lebten auf der Straße. Die meisten, rund 20.000, überlebten in “verdeckter” Obdachlosigkeit. Sie fänden im privaten Bekanntenkreis und über ihre Social-Media-Kontakte zeitweise Unterschlupf auf fremden Sofas.
“Off Road kids”, das vor mehr als 30 Jahren gegründet wurde, unterhält Streetwork-Stationen in Berlin, Hamburg, Dortmund, Köln und Frankfurt. Nach eigenen Angaben vermittelte die Stiftung seit 1993 rund 10.000 Jugendlichen ein Dach über dem Kopf. Jeden Monat kämen 500 neue Beratungsanfragen hinzu, hieß es.