Steuerstreit: Kirchen beklagen “Generalangriff” Israels

Die Kirchen im Heiligen Land sehen sich unter Behördendruck: Mit Mahnbriefen und Gerichtsverfahren griffen israelische Behörden konzertiert und in sensiblen Zeiten die christliche Präsenz an. Hintergrund ist ein Steuerstreit.

Der Steuerstreit zwischen den Kirchen im Heiligen Land und Israel droht erneut aufzuflammen. Israel habe einen “koordinierten Angriff auf die christliche Präsenz im Heiligen Land” unternommen, heißt es in einem gemeinsamen Brief diverser Kirchenführer an Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Die Kampagne habe ein noch nie dagewesenes Ausmaß erreicht.

Nach Angaben der Unterzeichner, darunter der Lateinische Patriarch von Jerusalem, Kardinal Pierbattista Pizzaballa, haben lokale israelische Behörden verschiedenen Kirchen landesweit kommunale Steuerschulden zur Last. Neben Mahnungen wurden demnach bei verschiedenen Gerichten Verfahren eingeleitet. Betroffen sind laut dem Schreiben Kirchen “von Norden bis Süden”, darunter in Jerusalem, Tel Aviv-Jaffa, Nazareth und Ramla.

Die Kirchenführer machen in dem Schreiben historische und gesetzliche Rechte sowie bestehende Vereinbarungen geltend. Das Vorgehen der Behörden breche den seit Jahren bestehenden Status quo. Sie verweisen auf die seit osmanischer Zeit geltende Befreiung kirchlicher Liegenschaften von der Kommunalsteuer sowie auf die sozialen Leistungen der Kirchen. Die Kirchen investierten zugunsten der Gesamtgesellschaft in Einrichtungen wie Kindergärten, Schulen, Altenheime und Krankenhäuser und ergänzten damit die Arbeit des Staates, so die Unterzeichner.

Als besonders skandalös bezeichnen Pizzaballa und seine Amtskollegen den Zeitpunkt des Vorgehens. Die Kirchen stünden angesichts einer instabilen Wirtschaftslage, ausbleibenden Pilgern und der Ungewissheit seit acht Monaten in einer schwierigen Phase. Statt “Geduld, Mitgefühl, Einigkeit im Gebet und Hoffnung” würden aber Gerichtsverfahren eröffnet und Drohungen ausgesprochen.

In ihrem Schreiben erinnern die Unterzeichner auch an eine Eskalation des Steuerstreits 2018, als die Kirchen aus Protest gegen israelische Forderungen für drei Tage die Grabeskirche geschlossen hatten; ein Präzedenzfall seit der Gründung des Staates Israel 1948.

Damals hatte Netanjahu mit der Einrichtung einer Arbeitsgruppe unter Leitung des damaligen Regionalministers Tzachi Hanegbi reagiert; diese sollte im Dialog mit den Kirchen eine Lösung im Streit um den Entwurf sowie um die Besteuerung von Kirchenbesitz erarbeiten. Im erneuten Einbeziehen Netanjahus sehe man die “letzte Chance, eine nachhaltige Lösung zu finden, wie sie für 2018 versprochen wurde, um eine weitere unerwünschte Krise mit den Kirchen zu vermeiden”.

Bei der Staatsgründung 1948 hatte Israel zunächst die entsprechenden Regelungen aus der britischen Mandatszeit übernommen, die nach alter Tradition die Kirche von jeglichen Steuerzahlungen befreiten. Als 1993 schließlich ein – bis heute von Israel nicht ratifizierter – Grundlagenvertrag unterzeichnet wurde, ließ man darin die Steuerfrage offen und wies die Klärung einer eigenen Kommission zu.

Deren Verhandlungen dauern seither an. Einen nach sechsjährigen Verhandlungen zum 1. Januar 2016 verabschiedeten Grundlagenvertrag zwischen Palästina und dem Heiligen Stuhl kritisierte Israel als übereilt und einseitig.