Steigende Nachfrage nach Dialogprojekt “Meet a Jew”

Nach dem Massaker der Hamas an Israelis am 7. Oktober 2023 hat das Interesse von Schulen nach einer persönlichen Begegnung mit Jüdinnen und Juden stark zugenommen. Die Anfrage an das Dialogprojekt „Meet a Jew“ des Zentralrats der Juden in Deutschland sei seither um die Hälfte gestiegen, sagte die Koordinatorin Mascha Schmerling am Rand einer Fachtagung über die Vorbeugung vor Antisemitismus am Donnerstag in Frankfurt am Main. Seit 2020 habe es 2.600 Begegnungen mit jüdischen Freiwilligen in Deutschland gegeben, an denen 65.000 Menschen teilgenommen hätten.

Die Rückmeldungen von jungen Erwachsenen aus zwei Teilnehmergruppen sei positiv gewesen, sagte die Kölner Bildungsreferentin Natalia Kajzer. In einer Pilotstudie mit Schülern eines gymnasialen Oberstufenkurses und Teilnehmern des Bundesfreiwilligendienstes habe sich herausgestellt: „Die Begegnungspädagogik ist besonders wirkmächtig.“ Die Sympathie zu den Freiwilligen und die Atmosphäre des Gesprächs spielten eine wichtige Rolle. Auch das Alter sei wichtig: Wenn Jugendliche zu Jugendlichen sprächen, falle die Distanz weg. Wenn im Gespräch die emotionale Ebene erreicht worden sei, sei ein Perspektivwechsel zustandegekommen.

„Der 7. Oktober ist für die Betroffenen und für die Schulen nicht vorbei“, sagte die Berliner Bildungsarbeiterin Ruth Fischer. „Wir kommen mit den Anfragen zur pädagogischen Hilfe gegen Antisemitismus nicht hinterher.“ Problematisch sei, die außerschulische Bildungsarbeit nur als „Feuerwehr“ zu rufen. Vorbeugung gegen Antisemitismus sei ein andauernder Prozess. Dazu müssten die Lehrausbildung, Lehrkräfte, Schulstrukturen und Bildungsträger gestärkt werden. Auch die Aufklärung über Desinformation, Extremismus, Verschwörungsglauben und Kriegspropaganda gehöre dazu. „Wir müssen mehr online werden“, forderte Fischer. „Denn dort kommen die Jugendlichen massiv mit Antisemitismus zusammen.“

Der Professor für Didaktik der Sozialwissenschaften an der Bergischen Universität Wuppertal, Marc Grimm, machte auf eine Befürchtung von Lehrkräften aufmerksam. Viele hätten die Sorge, aufgrund der Emotionalisierung des Nahostkonflikts durch Social Media bei dem Thema im Unterricht die Kontrolle zu verlieren. Grimm plädierte dennoch dafür, den Nahostkonflikt im Unterricht zu thematisieren und „keine rote Linie“ für eine Diskussion zu ziehen. „Wenn die Rede auf das Leid der Bevölkerung in Gaza kommt, dann landet man automatisch bei einer Kritik der Hamas.“

Junge Leute begegneten Antisemitismus bei vielen Gelegenheiten, auf der Social-Media-Plattform TikTok, in Rap-Videos, auf Spieleplattformen oder im Ausland auf Demonstrationen von Fridays for Future, sagte Grimm. Auch sei in einem „Submilieu deutscher Muslime“ der Antisemitismus „zu einem integralen Bestandteil der Gruppenidentität avanciert“. Die Kultusministerien müssten den Umgang mit menschenfeindlichen Einstellungen in die Lehramtsausbildung übernehmen.

Das vom Bundesfamilienministerium geförderte Projekt „Meet a Jew“ strebt nach eigenen Angaben an, durch die persönliche Begegnung mit Jüdinnen und Juden die Vielfalt des gegenwärtigen jüdischen Lebens zu vermitteln und Vorurteilen entgegenzuwirken. Etwa 550 jüdische Freiwillige beteiligten sich daran. Die Anfragen kämen von Schulen, Institutionen der Berufsausbildung, Vereinen, der Lehramtsausbildung und Erwachsenenbildung. Schirmherr ist Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.