„Stehen unverbrüchlich an der Seite unserer jüdischen Mitbürger“
Als starkes „Zeichen gegen den Antisemitismus und für die Solidarität mit den Jüdinnen und Juden in dieser Stadt“ hat der evangelische Stadtsuperintendent Bernhard Seiger den Schweigegang am Mittwochabend in Köln gewürdigt. Rund 3.000 Menschen kamen zu der Veranstaltung, um ihre Solidarität mit Israel und der jüdischen Bevölkerung angesichts des Terrorangriffs der radikalislamischen Hamas zu zeigen, darunter auch Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) und mehrere NRW-Minister.
Die stille Kundgebung am Vorabend der 85. Jahrestag der Reichspogromnacht am 9. November sollte ein öffentliches Zeichen gegen Antisemitismus, Hass und Gewalt setzen. Organisiert wurde der Schweigemarsch von den beiden großen Kirchen in Köln. „Wir trauern um die Opfer des Terrors gegen Israel“, hieß es. Der katholische Stadtdechant Robert Kleine rief zum Gebet für Frieden im Nahen Osten auf und nannte den Hamas-Angriff vom 7. Oktober den „tödlichsten Tag für Juden seit dem Holocaust“. Der evangelische Stadtsuperintendent Bernhard Seiger betonte, der Hamas-Angriff dürfe durch nichts gerechtfertigt werden, und fügte hinzu: „Wir stehen unverbrüchlich an der Seite der jüdischen Mitbürger und Mitbürgerinnen Kölns.“
Seit dem Angriff der Hamas zeigten sich in vielen Ländern nicht nur Gleichgültigkeit und Kälte gegenüber den jüdischen Opfern, sondern es breche sich auch offener Antisemitismus Bahn auf Demonstrationen und in den Sozialen Netzwerken, beklagte Seiger. „Er zeigt sich in Schmierereien an Wänden und Angriffen auf jüdische Geschäfte. Aber er bricht auch in den Alltag unserer jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger in unserem Land und in unserer Stadt ein.“ Er habe fast das Gefühl, Antisemitismus sei „salonfähig“ geworden und nicht mehr nur ein Thema der extremen Rechten, sondern auch in Teilen des linken, des migrantischen und des kulturellen Milieus.
Die palästinensische Terrorgruppe Hamas hatte Israel am 7. Oktober mit Raketen und Terrorkommandos angegriffen, mindestens 1.400 Menschen getötet und weitere verschleppt. Israel führt seither Krieg gegen die Hamas im Gaza-Streifen, dabei wurde Tausende Menschen getötet.
Der Schweigegang führte am einstigen Synagogen-Standort Glockengasse vorbei zur heutigen Synagoge in der Roonstraße. Dort beteten der Rabbiner der Gemeinde, Yechiel Bruckner, und Kantor Mordechaj Tauber für die Opfer des Angriffs der Hamas. Anschließend stellten die Teilnehmer und Teilnehmerinnen des Schweigegangs brennende Kerzen auf eine Mauer vor der Synagoge zum Gedenken an die Opfer. „Ich bin sehr bewegt“, sagte Stadtsuperintendent Seiger. „Dass so viele Menschen heute Abend hier sind, ist ein Zeichen gegen den Antisemitismus und für die Solidarität mit den Jüdinnen und Juden in dieser Stadt.“
An der stillen Solidaritätskundgebung nahm auch der Vorstand der Synagogen-Gemeinde Köln und Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Abraham Lehrer, teil. Die Evangelische Kirche im Rheinland war durch Präses Thorsten Latzel und weitere Mitglieder der Kirchenleitung vertreten, das Erzbistum Köln durch Generalvikar Guido Assmann.
Mit der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 waren die Nationalsozialisten zur offenen Gewalt gegen die jüdische Minderheit übergegangen.