Staatsrechtler: Anti-Israel-Demos grundsätzlich legitim
Auch Demonstrationen für die palästinensische Hamas und gegen den israelischen Staat sind nach Worten des Staatsrechtlers Clemens Arzt in Deutschland zunächst legitim. Man könne sie zwar politisch verurteilen, „aber man muss es verfassungsrechtlich aushalten“, sagte der Berliner Jurist im Interview der „Welt“ (Donnerstag). „Jeder Mensch, der meint, für die Rechte der Palästinenser demonstrieren zu wollen, darf das tun, auch wenn die Hamas Verbrechen begeht.“
Zwar habe Deutschland habe aus seiner historischen Verantwortung nach Nationalsozialismus und Schoah den Schutz Israels zur Staatsräson erklärt, so Arzt weiter. Daraus ergäben sich aber keine Sonderregeln, das Versammlungsrecht gelte dennoch uneingeschränkt. „Daher muss eine Kritik an Israel zulässig sein, auch am Umgang Israels mit den Palästinensern in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten.“
Ob mit den Demonstrationen die Grenze zur Volksverhetzung und damit zum Strafrecht überschritten wird, was die Auflösung einer Demonstration durch die Polizei rechtfertige, kann laut Arzt nicht einfach beantwortet werden. Parolen, die etwa ein freies Palästina forderten, könnten unterschiedlich ausgelegt und nicht zwingend auf eine Leugnung des Existenzrechts Israels gedeutet werden. „Wenn das Recht benutzt wird, die Staatsräson zu bedienen, wird es schwierig. Versammlungsfreiheit bedeutet Staatsferne. Das ist ein Recht der Minderheit“, betonte der Staatsrechtler. „Und wenn Menschen meinen, dass das, wofür demonstriert wird, eine ‚Schweinerei‘ ist, dann sollten sie dagegen demonstrieren.“
Auch dürften Versammlungen im Vorfeld nur in Ausnahmefällen verboten werden. Dafür müssten konkrete Gefahren für die öffentliche Sicherheit geltend gemacht werden können, erklärte Arzt. Nach dem Angriff der Hamas auf Israel am vergangenen Wochenende hatte es in mehreren deutschen Städten Unterstützerdemonstrationen für die Terrorgruppe gegeben. Zuletzt hatten Berlin und Frankfurt nun pro-palästinensische Kundgebungen verboten.