Sprachexpertin: Über Gendern ist keine sachliche Debatte möglich
Gendersternchen und Doppelpunkte sind für manche Menschen ein rotes Tuch. Die Leiterin der Dudenredaktion sieht überkochende Emotionen – und versucht in einem Interview, einige Dinge zu klären.
Über das Gendern in der Sprache ist nach Einschätzung der Leiterin der Dudenredaktion, Kathrin Kunkel-Razum, keine sachliche Debatte mehr möglich. Die Emotionen kochten über, sagte Kunkel-Razum im “Spiegel”-Interview (Samstag). “Viele haben das Gefühl: Mir möchte hier jemand etwas vorschreiben, Stichwort Sprachpolizei.” Es gebe in vielen Behörden oder Hochschulen zwar Leitlinien, aber keine staatliche Instanz, die sage, man müsse gendern.
“Für Vorbehalte sorgt auch, dass Menschen, die sich weder als männlich noch als weiblich definieren, stärker berücksichtigt werden sollen. Das verunsichert”, erklärte die Expertin. “Dazu kommt eine gehörige Prise Antifeminismus.”
Mit Blick auf Argumente, mit Genderzeichen wie Doppelpunkt und Sternchen werde die Sprache verhunzt, sagte Kunkel-Razum: “2017 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass sich eine Person mit einem dritten Geschlecht ins Geburtsregister eintragen lassen darf. Damit sind Fakten geschaffen, die sprachliche Konsequenzen haben müssen.”
Genderzeichen hätten sich in einigen Kreisen etabliert. “Aber daraus ist eine Art Kulturkampf und politische Auseinandersetzung geworden, bis hin zu ‘Genderverboten’, wobei der Begriff irreführend ist”, so Kunkel-Razum. “Es wird ja nicht das Gendern zum Beispiel mit Wortbildungen wie ‘die Studierenden’ verboten, sondern explizit das Gendern mit Genderzeichen.” In Bayern gebe es jetzt zwar Anweisungen für Behörden, Hochschulen und Schulen, aber in Deutschland gälten keine generellen Sprachverbote, “abgesehen von Nazivokabular oder Beamtenbeleidigungen”.
Dass Frauen beim generischen Maskulinum schon immer mitgemeint gewesen seien, überzeuge sie nicht, betonte Kunkel-Razum, die auch Mitglied im Rat für deutsche Rechtschreibung ist. So hätten Frauen in früheren Zeiten wenig zu sagen gehabt, das sei also kein Maßstab. Auch seien Frauen in vielen Berufen nicht vertreten gewesen, deshalb habe man auch keine Bezeichnung benötigt.
Bei ‘Päpstin’, die im Duden stehe, habe man um die Jahrtausendwende heiß diskutiert. “Dafür gab es im Sprachgebrauch Belege etwa in der damaligen Historikerdebatte, ob es im Mittelalter nicht doch eine Päpstin gab”, erklärte Kunkel-Razum. “Wir nehmen in den Duden feminine Bezeichnungen auf, wenn wir im Sprachgebrauch Belege dafür gefunden haben. Wir haben uns noch nie etwas ausgedacht.”