Spiel mit dem Licht

Anna Anchers Bilder sind geprägt von der Landschaft Skagens. Sie leben vom Spiel zwischen Licht und Schatten. Das Museum Kunst der Westküste will die dänische Malerin nun in Deutschland bekannter machen.

„Mondklarer Abend am Leuchtfeuer von Skagen“ aus dem Jahr 1904
„Mondklarer Abend am Leuchtfeuer von Skagen“ aus dem Jahr 1904Art Museum of Skagen

Alkersum/Föhr. Kaum eine andere Künstlerin in Dänemark hat sich so intensiv mit Licht und Schatten auseinandergesetzt wie Anna Ancher (1859-1935), die als begabte Koloristin gilt. Sie nahm die Impulse der französichen Impressionisten auf und verhalf dem Zeitalter der Moderne in der dänischen Malerei zum Durchbruch. Nun zeigt das Museum Kunst der Westküste (MKdW) in Alkersum auf der Nordseeinsel Föhr eine umfangreiche Ausstellung über die Künstlerin unter dem bezeichnenden Titel „Sonne. Licht. Skagen“.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zog es immer mehr Kunstschaffende in die Natur, um dort Studien zu machen. Skagen an der Nordspitze Dänemarks, einer der ältesten Orte des Landes, war ein Geheimtipp unter den Kreativen, die in den Sommermonaten in die Abgeschiedenheit der Künstlerkolonie zogen, wohin damals keine Straße und keine Eisenbahn führte.

Malende Gäste

Anna Anchers Eltern besaßen dort eine Gastwirtschaft, den Brøndums Gasthof, der noch heute existiert und zu den besten Adressen Skagens gehört. Hier wohnten die ersten malenden Gäste, und oft haben sie hier auch Motive gefunden. Darüber hinaus waren besonders die Fischer, das blaue Meer und das Licht bevorzugte Themen. Anna Ancher, geborene Brøndum, ist die einzige Malerin der Künstler­kolonie, die in Skagen geboren wurde und ihr Leben lang dort wohnte. 1874 kam der Maler Michael Ancher zum ersten Mal nach Skagen und verliebte sich sofort in den Ort wie auch in die Tochter der Eheleute Brøndum, die zu diesem Zeitpunkt zehn Jahre jünger war als er.

Art Museum of Skagen

In einer Zeit, als Frauen noch nicht an der Kunstakademie Kopenhagen studieren durften, ermöglichten Anna Anchers Eltern ihr im Alter von 16 Jahren eine Ausbildung an einer privaten Zeichenschule in der Hauptstadt. Die Hochzeit mit Michael Ancher wurde an ihrem 21. Geburtstag im Jahr 1880 in Skagen gefeiert. Als 30-Jährige verbrachte Anna Ancher ein halbes Jahr in Paris, um sich bei dem Maler Puvis de Chavannes weiterzubilden.

Anna Anchers Darstellungen von Lichtreflexionen und Schattenwürfen in zahlreichen Genre- und Landschaftsbildern sind meisterhaft. Ihrer Zeit voraus, fand sie schließlich zu einer abstrahierenden Formensprache. Sie schilderte als einfühlsame Porträtistin mit genauer Beobachtungsgabe das Leben und die tägliche Arbeit der Fischers­frauen und Bäuerinnen in ihrer direkten Umgebung. Zu ihren Lieblingsmotiven gehörten die Frauen ihrer Familie, besonders die Mutter, Ane Hedvig Brøndum und ihre Tochter Helga. Zu ihrer Mutter pflegte Anna Ancher ein sehr inniges Verhältnis. Von den sehr aussagekräftigen Porträts ihrer Mutter sind sieben Werke im MKdW zu sehen.

Sonnenschein in der blauen Stube

Anna Anchers Malerei lässt nicht nur den französischen Impressionismus deutlich erkennen, sondern auch die Schule der alten Niederländer wie Vermeer. „Sonnenschein in der blauen Stube“, eines ihrer Hauptwerke, zeigt ihre Tochter im blauen Zimmer bei der Handarbeit. Die Sonne scheint auf ihr blondes Haar und wirft Lichtflecken auf die blaue Wand. Anna Anchers bekanntes Motiv schmückt sowohl den sehr lesenswerten Katalog, die Flyer sowie die Plakate der Ausstellung.

Gemälde und Ölstudien

In ihren Bildern spiegelt sich ihre Nähe und das Vertrauen zu den abgebildeten Menschen aus Skagen wider. Obwohl sie mit Michael Ancher viel durch Europa gereist ist und 15 Jahre lang einen zweiten Wohnsitz in Kopenhagen hatte, sind kaum andere Motive in ihrem Gesamtwerk zu finden als solche aus ihrem Heimatort Skagen. Oft zeigt Anna Ancher Frauen bei ihren verschiedenen Tätigkeiten im Haus und im Kontext der Dorfgemeinschaft.

Das MKdW, das den größten Bestand an Arbeiten der Skagener Künstlerkolonie in Deutschland besitzt, zeigt in der Ausstellung mehr als 80 Werke von Anna Ancher in drei großen Sälen und zwei Kabinetten. Die Gemälde und Ölstudien, von denen einige erst kürzlich in Verbindung mit der Inventarisierung des Anchers Hus entdeckt wurden, werden unter folgenden Themen aufgefächert: soziales Leben in Skagen und religiöse Themen, Interieurs und einfallendes Licht sowie Landschaften. Die Auswahl der Werke ermöglicht umfassende Einblicke in Anna Anchers soziales Leben und das Alltagsgeschehen in Skagen. Der Fischerort war ihre Heimat, ihr Thema und ihr Atelier.

Ins Bewusstsein gerückt

Mit der Ausstellung wollen die Kuratoren eine Künstlerin ins Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit rücken, deren Kunst auch heute noch nichts von ihrer Kraft, ihrer Eindringlichkeit und außergewöhnlichen Sensibilität eingebüßt hat.

„Sonne.Licht.Skagen“ ist in Zusammenarbeit mit den großen Anna-Ancher-Ausstellungen in Kopenhagen, Skagen und Lillehammer in den Jahren 2020 und 2021 entstanden.

Info
Die Ausstellung „Sonne.Licht.Skagen“ ist bis zum 19. Juni im Museum Kunst der Westküste in Alkersum auf Föhr zu sehen. Zur Ausstellung ist ein Katalog in deutscher und englischer Sprache erschienen. Weitere Informationen gibt es auf www.mkdw.de.