Spannender ARD-Krimi um einen blinden Ermittler

Ein angehender Priester wird ermordet. Bei ihren Recherchen stoßen der blinde Wiener Sonderermittler Haller und sein Assistent auf die vermögende Familie Brohnstein. Ein spannender ARD-Krimi.

Ermittlungen im Umfeld der Kirche: Alexander Haller (Philipp Hochmair, li.), Niko (Andreas Guenther, re.) und Seminarleiter Wimmer (Martin Feifel, Mitte)
Ermittlungen im Umfeld der Kirche: Alexander Haller (Philipp Hochmair, li.), Niko (Andreas Guenther, re.) und Seminarleiter Wimmer (Martin Feifel, Mitte)ARD Degeto/Mona Film/Tivoli Film/Philipp Brozsek

“Was siehst Du?” So lautet die wiederkehrende Frage von Alexander Haller an seinen Assistenten Niko Falk. Der Sonderermittler ist blind – und Ex-Taxifahrer Falk “leiht” ihm gewissermaßen seine Augen. Darüber hinaus absolviert Falk, wohlgemerkt kein Polizist, immer mal wieder so verbotene wie durchaus hilfreiche ermittlungstechnische Alleingänge. Im Verbund mit Hallers feinem Gehör und Geruchssinn sowie dessen gutem Gespür für Emotionen und zwischenmenschliche Spannungen eine ziemlich unschlagbare Kombination. In der elften Folge der “Wien-Krimi”-Reihe wird das gegensätzliche Duo aus dem feingeistigen Kommissar und seinem hemdsärmeligen Assistenten mit dem Fall eines ermordeten Priesteranwärters konfrontiert.

In “Blind ermittelt – Tod im Palais”, den das Erste am 9. Mai zwischen 20.15 und 21.45 Uhr ausstrahlt, recherchieren Haller (Philipp Hochmair) und Falk (Andreas Guenther) im Umfeld der vermögenden Familie Brohnstein. Einstiger Adel, dem wie allen Adligen in Österreich seit 1919 das Tragen des Titels verboten ist.

Der tote Priesteranwärter feierte im Nachtclub “Gomorra”

Ihre “besondere” Stellung pflegte Familie Brohnstein gleichwohl – mit heimischem Privatunterricht, Härte und Disziplin, Abschottung nach außen. Die mittlerweile erwachsenen, allesamt unverheirateten Geschwister Fanny (Martina Ebm), Johannes (Johannes Zirner) und Felix (Hannes Wegener) wohnen noch immer im prächtigen Wiener Familienpalais, frönen mehr oder weniger dem Lebenswandel ihrer Kindheit. Fechtturniere, musische Betätigung, gegenseitiges Überwachen (das vielleicht ein Beschützen sein soll), und: nicht mit Außenstehenden sprechen! Getreu dem Motto: “Einer für alle, alle für einen”.

Im Palais der Familie Brohnstein: Alexander Haller (Philipp Hochmair) beim Fechten mit Johannes
Im Palais der Familie Brohnstein: Alexander Haller (Philipp Hochmair) beim Fechten mit JohannesBild: ARD Degeto/Mona Film/Tivoli Film/Philipp Brozsek

Der tote Priesteranwärter ging im von den Brüdern betriebenen Nachtclub “Gomorra” ein und aus, schien, das legen Überwachungsvideos nahe, auch Fanny zu kennen, war kurz vor seinem gewaltsamen Tod noch dort. Doch die Brohnsteins mauern, verbergen etwas.

Falk versucht, die abgeschottet lebende Cellistin zum Reden zu bringen – auch, weil er sich wohl ein bisschen verliebt hat. Tatsächlich gesteht Fanny, kurz bevor sie vor ein Auto läuft, einen Mord. Doch wie ist dieses Geständnis zu bewerten? Bezog es sich überhaupt auf Hallers und Falks aktuellen Fall?

Krimi erzählt von toxischen Beziehungen

Der Krimi erzählt eine Story, die tief in die Familiengeschichte der Ex-Adligen hineinreicht, von toxischen Beziehungen in abgeschotteten Strukturen, von Abhängigkeiten und Einsamkeit. Aber auch von der Loyalität und Freundschaft zwischen Haller und Falk, die beide sehr genau wissen, was sie aneinander haben. Dazu kommen – leider recht oberflächlich bleibende – Motive wie Frömmigkeit und Beichte, Konflikte mit der Chefinspektorin Laura Janda (Jaschka Lämmert) oder der radikal verfolgte Wunsch nach familiärem Anschluss bei der von den Brohnsteins protegierten Künstlerin Zoe (Andrea Guo).

“Tod im Palais” ist, nach einem eher hölzernen Auftakt, ein durchaus spannender Kriminalfall: von Drehbuchautorin Manja Schaar trotz kleinerer dramaturgischer Ungereimtheiten überzeugend angelegt, von Regisseurin Sibylle Tafel recht souverän inszeniert. Die Stärke des Films liegt klar in seinen interessant entworfenen Figuren und deren bis in die Nebenrollen hinein gut besetzten, stimmig aufspielenden Darstellern.

Wenig Raum für Atmosphärisches

Schade nur, dass die Produktion hier nicht vertieft – über die schillernde Figur der Fanny beispielsweise hätte man gerne mehr erfahren. Ähnlich verhält es sich mit manch allzu äußerlich behandeltem Sujet, etwa der Location Priesterseminar. Generell entsteht wenig Raum für Atmosphärisches, zudem erweist sich die Auflösung des Falls als eher wirr – und gelegentlich bietet dieser Krimi auch einfach allzu Erwartbares.

Und doch: Die auffallend starken schauspielerischen Leistungen bis in kleinste Nebenrollen hinein (etwa Linde Prelog als frühere Hauslehrerin der Brohnsteins oder Isa Hochgerner als vermeintliche Mutter des Mordopfers) bilden kleine, feine Vignetten im Filmgeschehen – und entschädigen für vieles.

“Blind ermittelt – Tod im Palais”: Himmelfahrt, Donnerstag, 9. Mai, um 20.15 Uhr in der ARD