Soziologe: Ost und West auch in 100 Jahren nicht gleich

Der Soziologe Steffen Mau ist überzeugt, dass auch 100 Jahre nach dem Mauerfall 1989 noch ökonomische Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland existieren werden. Im Osten betreibe man “emotionale Buchführung”.

Die Lebensverhältnisse in Ost- und Westdeutschland werden auch im Jahr 2089 nicht auf dem gleichen Niveau sein – davon ist der ostdeutsche Soziologe Steffen Mau überzeugt. “Ich glaube nicht, dass es in 100 Jahren eine Vereinheitlichung der Lebensverhältnisse geben wird und alle Ungleichheit getilgt ist”, sagte Mau dem “Tagesspiegel” (Dienstag). Solche Strukturen seien “unglaublich träge und hartnäckig”.

Dass anhaltende Ungleichheiten ostdeutsche Wahlpräferenzen für die AfD erklären könnten, denkt der 55-Jährige jedoch nicht. “Ich glaube nicht, dass sich die gegenwärtige Stimmung im Osten nur mit den ökonomischen Verhältnissen erklären lässt.” Die Renten seien jetzt angeglichen, die Löhne etwas niedriger, aber Lebenshaltungskosten und Mieten im Osten seien auch nicht so hoch wie im Westen, betont der Soziologe, der in Rostock zur Welt kam. “Im Vergleich zu den 1990er Jahren ist die Arbeitslosenrate gefallen und ähnelt der im Westen. Trotzdem betreiben die Ostdeutschen emotionale Buchführung, in der die vergangenen Enttäuschungen hoch im Kurs stehen.”

Als eine Ursache für Enttäuschungen nennt Mau die “innerdeutsche Vermögensmauer”: “Es hat sich in 34 Jahren kein einziges Dax-Unternehmen in Ostdeutschland angesiedelt. Wir haben eine starke Repräsentanz von Menschen aus dem Westen in den ostdeutschen Eliten. Und weiterhin extreme Unterschiede zwischen Ost und West im Hinblick auf Vermögen. Erbschaften werden in Deutschland viel zu schwach besteuert. Wie soll es denn da zum Abbau dieser innerdeutschen Vermögensmauer kommen?”

Mau hat gerade das Buch “Ungleich vereint: Warum Ostdeutschland anders bleiben wird – und wir es akzeptieren müssen” veröffentlicht.