Ein Dutzend Lippenpflegestifte für eine Zehnjährige? Eine Augenmaske für eine Zwölfjährige? Kinder und Jugendliche, die Pflegeprodukte benutzen, werden immer jünger. Kritik kommt von einem Soziologen und einer Hautärztin.
Mädchen, die teure Gesichtscremes nutzen oder ständig Masken gegen Augenringe einkaufen: “Dieser Kosmetik-Trend bei Kindern ist besorgniserregend”, sagte Ulrich Rosar, Soziologieprofessor an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). “Hier werden Kinder hinters Licht geführt, die noch nicht in der Lage sind, das, was sie da sehen, kritisch zu hinterfragen. Sie werden zur Beute der Kosmetikindustrie.”
Zudem belaste die “Schönheitsinflation” die Psyche der Kinder. “Influencer suggerieren, dass ein bestimmtes Produkt funktionieren kann, dass man nachher ‘besser’ aussieht. Wird das Versprechen nicht eingelöst, fühlen sich die Kinder unzulänglich. Das führt mit Blick auf das eigene Körperbild zu einer Abwärtsspirale.”
Rosar empfiehlt Eltern, “mit Kindern darüber zu reden, was sie auf Social Media sehen. Viele Bilder sind unfassbar gefiltert. Man muss den Kindern erklären, dass das nicht die Wirklichkeit ist.” Der soziale Wettkampf gehe zudem ins Geld und belaste die Familienkasse. Außerdem kam eine Studie der US-amerikanischen North-Western-Universität kürzlich zu dem Schluss, dass Skincare-Routinen, wie sie auf Tiktok für junge Mädchen beworben werden, gefährlich sein und etwa zu Hautirritationen führen könnten.
Die Kieler Hautärztin Regina Fölster-Holst stellt klar: “Eine gesunde Kinderhaut braucht keine besondere Creme oder Kosmetik. Im Gegenteil: Enthaltene Duftstoffe, Konservierungsmittel und Farbstoffe können zu Allergien führen.” Dies gelte besonders für Neurodermitiker mit ihrer trockenen und sehr empfindlichen Haut.
Zudem werde der Sonnenschutz häufig vernachlässigt: “Dabei ist das die einzige Creme, die bei gesunder Kinderhaut wirklich wichtig ist”, so die Professorin.
Beide Experten fordern mehr staatliche Regulierung: “Kinder können nicht einordnen und differenzieren, was Influencer im Netz bewerben. Es bedarf einer Institution, die die Werbung für Kosmetik im Netz kontrolliert”, sagte Fölster-Holst.
Die Ärztin, die auch Mitglied der Dermatologischen Gesellschaft ist, kritisierte auch den Trend zu langen künstlichen Fingernägeln; viele minderjährige Mädchen ließen sich mittlerweile “die Nägel machen”. Dabei könne man “auf die Kleber allergisch reagieren. Die Haut zeigt dann Entzündungen und die Nägel lösen sich ab.” Zudem seien solche angeklebten Nägel Sammelbecken für Schmutz und Keime. “Das ist das Gegenteil von Hygiene.”