Sozialexperte wünscht sich „Neuanfang des Umeinanderkümmerns“

Der Soziologe Reimer Gronemeyer formuliert eine Vision für eine achtsamere Gemeinschaft. Menschen sollten wieder lernen Hilfe anzunehmen

Nachbarschaftliche Achtsamkeit während der Corona-Pandemie
Nachbarschaftliche Achtsamkeit während der Corona-PandemieImago / Lichtgut

Für einen „Neuanfang des Umeinanderkümmerns“ hat sich der Gießener Soziologe Reimer Gronemeyer ausgesprochen. Statt auf ohnehin überlastete Pflegekräfte und Dienstleister zu setzen, seien ein fundamentales Umdenken und „mehr Achtsamkeit für die Menschen im eigenen Nahbereich“ nötig, sagte er im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). „Wir haben nur vergessen und verlernt, was wir alles selbst können“, erklärte Gronemeyer.

Dieser Neuanfang sei einfach und schwierig zugleich, weil Menschen den ersten Schritt aufeinander zu wagen müssten, so der 84-Jährige. „Warum klingeln wir nicht mal bei der Nachbarin, die ihren Mann pflegt, und fragen, ob wir etwas für sie einkaufen oder sonst etwas für sie tun können?“ Menschen müssten wieder lernen, einander zu fragen – und lernen, Hilfe anzunehmen. „Dann wird man erstaunt sein, was alles möglich ist.“

Eine sorgende Gesellschaft

Gronemeyer hat gemeinsam mit Oliver Schultz das Buch „Die Rettung der Pflege. Wie wir Care-Arbeit neu denken und zur sorgenden Gesellschaft werden“ veröffentlicht.

Gronemeyer kann sich auch „nachbarschaftlich verbundene Heime“ vorstellen, in die Menschen kommen und mit Gebrechlichen spazieren gehen oder sie im Rollstuhl im Park spazieren fahren. „Ich wünsche mir weniger Abhängigkeit von den Experten, mehr Fantasie für den Nächsten.“