Soziale Roboter: Mit Künstlicher Intelligenz gegen den Fachkräftemangel
Der soziale Roboter Navel soll seinem menschlichen Gegenüber ein Gefühl der Nähe vermitteln. Demnächst wird er in einem Pilotprojekt in zwei Pflegeheimen in Baden-Württemberg zum ersten Mal getestet.
Ein modernes Gebäude aus Stahl und Glas in der bayerischen Landeshauptstadt, ein Büroraum im vierten Stock. Es beginnt ein nettes Gespräch: „Was gefällt Ihnen an München?“, fragt einer der beiden Gesprächsteilnehmer. „Ich finde die Biergärten in der Stadt ganz schön“, sagt der andere. „Und was gefällt Ihnen weniger gut?“ – „Dass die Mieten hier so teuer sind“, ist die Antwort. „Haben Sie eine Lösung für das Problem?“, hakt der Fragende nach. Auf diese Frage gibt es keine Antwort. Verständnisvoll blickt der Frager mit seinen blauen Augen den Befragten an.
Das Gespräch wäre an sich nichts Besonderes, doch die Fragen stellt ein sogenannter sozialer Roboter. Er heißt Navel, ist 72 Zentimeter groß und entstammt einem Münchner Start-Up-Unternehmen namens „Navel Robotics“. Was aber ist ein „sozialer Roboter“? Den Anfang machte in den 1990er Jahren die US-amerikanische Wissenschaftlerin Cynthia Breazeal. Nach ihrer Definition sollen soziale Roboter in der Lage sein, mit Menschen Kontakt aufzunehmen, soziale Beziehungen aufzubauen, sich an ihre Umwelt anzupassen und lebenslang zu lernen.
Roboter „Pepper“ sorgte schon 2015 für Furore
Ein klein wenig von diesen Fähigkeiten konnte vor acht Jahren „Pepper“ aufweisen, ein humanoider Roboter in Gestalt eines Schulkindes, der 2015 bei seiner Vorstellung in Japan für Aufregung sorgte. Pepper stand in Hotels oder Geschäften am Eingang und begrüßte die Kunden. Man konnte mit ihm sprechen und auch über sein an der Brust angebrachtes Display kommunizieren. Er war der erste in Großserie produzierte Partner- und Kommunikationsroboter. Heute werden derartige Roboter von einigen Herstellern angeboten, neben „Navel Robotics“ („Navel“) und „SoftBank Robotics“ („Pepper“) etwa von „Altera Vita“ („Justocat“).
Claude Toussaint, der Gründer des Münchner Start-Up-Unternehmens Navel Robotics, sagt, heute müsse ein sozialer Roboter aktiv eine soziale Beziehung aufbauen können. Dies geschehe, indem der Roboter mithilfe einer Kamera die Gesichtszüge seines Gegenübers analysiert und daraus errechnet, welche Gefühle sein Gesprächspartner hat. Mit Künstlicher Intelligenz wird dann ein Gespräch in Gang gebracht.
Der soziale Roboter soll zum Beispiel in Pflegeheimen zum Einsatz kommen. Navel wird durch die Flure des Heims rollen und die Seniorinnen und Senioren ansprechen. Wie es ihnen geht, was sie heute vorhaben, was die Enkel so machen. Navel kann sich Namen merken und sein Gegenüber damit ansprechen. Wichtig ist dabei der Augenkontakt. Dazu gehört, dass Navel über dreidimensionale Augäpfel verfügt, denn „nur so kann man wirklich Blickkontakt herstellen“, erläutert Toussaint.
Navel soll Heimbewohnern Gesellschaft leisten
Eingesetzt wird der soziale Roboter nun in einem Pilotprojekt in zwei Pflegeheimen der Evangelischen Heimstiftung in Baden-Württemberg. „Navel ist kein Pflegeroboter. Das bedeutet, er wurde nicht dafür konzipiert, bei klassischen Pflegetätigkeiten wie Körperpflege, dem Ankleiden oder der Mobilisation zu unterstützen. Seine Stärken liegen in der verbalen und nonverbalen Kommunikation. Deshalb wollen wir ihn dazu einsetzen, den Menschen in unseren Heimen Gesellschaft zu leisten“, erläutert Hauptgeschäftsführer Bernhard Schneider.
Die Mitarbeitenden in den Einrichtungen werden dabei von Entwicklern von Navel Robotics geschult und technisch vorbereitet. „ChatGPT und Künstliche Intelligenz sind nicht aufzuhalten, sie werden alle Lebensbereiche durchdringen, auch die Pflege. Wir sehen es als werte-orientiertes diakonisches Unternehmen gerade auch als unseren Auftrag an, die damit verbundenen schwierigen ethischen Fragen zu beleuchten und frühzeitig Antworten darauf zu geben“, erklärt der Geschäftsführer.
Die Heimstiftung hat die beiden Roboter für rund 57.000 Euro gekauft. Das Pilotprojekt soll in diesem Sommer beginnen.