Solingen gedenkt des rechtsextremen Brandanschlags vor 31 Jahren

In Solingen ist am Mittwoch der Opfer und Angehörigen des rechtsextremistisch motivierten Brandanschlags vor 31 Jahren gedacht worden. Auf der Veranstaltung der Stadt in Kooperation mit Familie Genç und dem Bündnis für Toleranz und Zivilcourage sprachen neben Oberbürgermeister Tim Kurzbach (SPD) und der Superintendentin des evangelischen Kirchenkreises Solingen, Ilka Werner, auch die Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman. Beteiligt waren auch Schüler des Mildred-Scheel-Berufskollegs.

Die Antidiskriminierungsbeauftragte Ataman sprach in ihrer Rede von einem kollektiven Trauma für Zuwanderer. Vor dem Hintergrund brutaler Übergriffe auf Asylbewerber und Zuwanderer bundesweit zu Beginn der 1990er Jahre sei in den ersten Tagen nach dem Brandanschlag in Solingen am 29. Mai 1993 bei vielen die Angst in Wut umgeschlagen, sagte Ataman laut Redetext. Sie würdigte Mevlüde Genç als Vorbild und Friedensbotschafterin. Genç, die Zeugin schlimmster Auswüchse von Rassismus geworden sei, habe sich nicht dazu verleiten lassen, zu hassen. Sie habe trotz des Verlustes von Familienmitgliedern Vergebung und Toleranz gelehrt. Vergebung und Toleranz würden auch heute dringend benötigt, mahnte Ataman und verwies auf den Anstieg von Straftaten gegen Flüchtlinge und von antisemitischen und antimuslimischen Straftaten.

Mevlüde Genç, die bei dem Brandanschlag zwei Töchter, eine Nichte und zwei Enkelinnen verlor, machte sich bis zu ihrem Tod im Jahr 2022 für Versöhnung und interkulturellen Dialog stark. Für ihr Engagement wurde sie 1996 mit dem Bundesverdienstkreuz und 2015 mit dem Verdienstorden des Landes NRW geehrt. Seit 2019 verleiht NRW jährlich einen nach ihr benannten Toleranzpreis, die mit 10.000 Euro dotierte Mevlüde-Genç-Medaille.

Die evangelische Pfarrerin Ilka Werner unterstrich die Bedeutung von Dialog zwischen Religionen und gesellschaftlichen Gruppen. Hass und Feindschaft nähmen zu. Menschen fühlten sich im Leid verlassen und ungehört. Sie sei überzeugt, dass es Klarheit nur im Konkreten gebe, sagte die Superintendentin laut Redetext. „Vor Ort, da, wo Menschen einander begegnen, da, wo Radikalismen entlarvt werden, da, wo Menschen sich kennen und versöhnen können.“ Es gehe nicht darum, einfache Antworten zu finden, aber darum, gemeinsam für Aufklärung und gegen Hass, Diskriminierung und Gewalt einzutreten.

Das Verbrechen in Solingen vor 31 Jahren war einer der folgenschwersten ausländerfeindlichen Anschläge der deutschen Nachkriegsgeschichte: Zwei Frauen und drei Mädchen wurden getötet, als vier junge Neonazis am 29. Mai, in der Nacht zum Pfingstsamstag 1993 das Haus der türkischstämmigen Familie Genç in der Unteren Wernerstraße in Solingen anzündeten. In den Flammen verbrannten und erstickten Hatice Genç (18), Gülüstan Öztürk (12), Hülya Genç (9) und Saime Genç (4). Die 27 Jahre alte Gürsün Ince starb beim Sprung aus dem brennenden Haus. Weitere Familienmitglieder wurden schwer verletzt, drei von ihnen lebensgefährlich.

Die vier Brandstifter aus der Neonazi-Szene wurden 1995 zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Alle vier kamen bis 2005 wieder auf freien Fuß, drei von ihnen vorzeitig.