Soldatenweihnacht in Jägerbrück

Fernab aller Zivilisation, tief in den Wäldern der Ueckermünder Heide in Vorpommern, liegt der Truppenübungsplatz Jägerbrück.

Gottesdienst in den Wäldern der Ueckermünder Heide in Vorpommern.
Gottesdienst in den Wäldern der Ueckermünder Heide in Vorpommern.Militärseelsorge

Vor 70 Jahren, nach dem Zweiten Weltkrieg, wurden in den 50er-Jahren die Dorfbewohner des kleinen Ortes an der Randow ausgesiedelt, um den Schießplatz, gut 30 Kilometer nordwestlich von Stettin, anzulegen. Es folgen Zerstörung, Verfall und die Abriegelung der ehemaligen Ortslage. Über das Schicksal der Einwohner ist nach Jahrzehnten nur noch wenig bekannt. Als neuer Militärpfarrer von Torgelow mit dem Dienstsitz in der Greifen-Kaserne zu Drögeheide durfte ich mit Pfarrhelfer Michael Pöltl am 2. Sonntag im Advent an diesem schicksalhaften Ort einen Feldgottesdienst für die Soldat:innen der deutsch-französischen Brigade aus Straßburg/Elsass gestalten.

Die neutestamentliche Botschaft von der zweiten Wiederkunft Christi, die mit dem Gedanken vom Weltende und jüngstem Gericht verbunden ist, war in diesem Umfeld besonders eindrücklich. Hier predigen die Steine der Ruinen von alten Häusern und ihren ehemaligen Kellerräumen. Fundamente zeigen wie eine gute Gründung sich bewährt, auch wenn der Zahn der Zeit weiter an ihnen nagt. In mühevoller Kleinarbeit waren sie in den vergangenen Jahren freigelegt worden, um den romantischen Ort im Wald, neben der Flußbrücke in Erinnerung zu halten.

Wie Gewalt wirken kann

An diesem Ort spürt man, wie stark politische und militärische Gewalt wirken kann. Und es stellt sich die Frage nach Schuld und Verantwortung. „Sehet auf und erhebet Eure Häupter, weil sich Eure Erlösung naht“ so lautete der Wochenspruch für den 2. Adventssonntag. Das Thema der Predigt war: Worauf sehen wir? Aus den Kellerruinen der ehemaligen Wohnhäuser fiel der Blick zunächst auf das Birkenkreuz und die Militärfahrzeuge (Panzer) im Hintergrund. Es wurde die Frage gestellt, worauf Soldat:innen heute in Europa im Blick auf die Zukunft schauen. Haben wir apokalyptische Kriegsszenarien in nächster Zukunft zu befürchten, die die Unversehrtheit von Leib und Leben kosten? Inwieweit sind Soldaten bereit und befähigt, um Widerstand zu leisten bei möglichen Zukunftsszenarien wie sie der Bibeltext des Sonntags in „Jesu Rede von der Endzeit“ bei Matthäus 24 skizziert:
• „Es wird kein Stein auf dem anderen bleiben, der nicht zerbrochen wird …“ (V.2)
• „Ihr werdet hören von Kriegen und Kriegsgeschrei – seht zu und erschreckt nicht…“ (V.6)
• „Denn es wird sich ein Volk gegen das andere erheben… und es werden Hungersnöte und Erdbeben sein …“ (V.7)
• „Wer aber beharrt bis ans Ende, der wird selig werden …“ (V.13)

Jesu Worte beunruhigen, rütteln auf, anders als in der wohlklingenden Weihnachtsgeschichte mit der Vision vom „Frieden auf Erden“.

Im Gegensatz zu den Weihnachtsfeiern in unseren Gemeinden und im zivilen Leben, so wie ich sie bisher kannte und schätzte, leben Soldat:innen mit diesen „Gräuelbildern der Verwüstung“ und lernen damit umzugehen. Ich erlebe, wie sie sich bei ihrem Dienst den Realitäten der widerstreitenden Gewalten stellen und uns ermöglichen, unser Weihnachten in gewohnter Weise in behütetem Kreis der Familie und Gemeinde zu begehen.

So haben wir Grund, denen zu danken, die unmerklich ihren Dienst tun, um zu sichern oder wenigstens Gegengewicht zu halten zu den uns bedrohenden Mächten dieser Zeit.Was den Krieg und die Flucht betrifft, lasst uns der Aufforderung Jesu zum Gebet folgen: „Herr, lass es nicht geschehen im Winter oder am Sabbat“.

Unser Autor
Bernhard Riedel ist Militärpfarrer in Torgelow.