Sörensen hat Angst – Bjarne Mädel als Polizist mit Angststörung
Sörensen lässt sich von Hamburg ins (fiktive) friesische Katenbüll versetzen: Der von Ängsten geplagte Polizist hofft auf Ruhe und Frieden. Doch dann sitzt gleich am ersten Arbeitstag der Bürgermeister tot im Stall.
In Zusammenarbeit mit filmdienst.de und der Katholischen Filmkommission gibt die KNA Tipps zu besonderen TV-Filmen:
Irgendetwas stimmt nicht mit diesem Mann. Das sieht man sofort, wenn der Titelheld Sörensen (Bjarne Mädel, der den Film auch inszeniert hat) eingangs mit dem Auto unterwegs ist und einigermaßen angestrengt wirkt. Irgendwann kommt er endlich doch in Katenbüll an (der Ort ist fiktiv; gedreht wurde im niedersächsischen Varel, das am Jadebusen liegt). Dort soll er die Stelle als Kriminalhauptkommissar antreten.
Hamburg war Sörensen zu groß und stressig geworden. Zuviel Mord und Totschlag. Denn Sörensen leidet an einer Angststörung. Jetzt will er ein ruhiges und beschauliches Leben führen. Doch kaum hat er seine neue Kollegin Jennifer Holstenbeck (Katrin Wichmann) und den Polizeischüler Malte Schuster (Leo Meier) kennengelernt, gibt es den ersten Toten. Bürgermeister Hinrichs sitzt erschossen in seinem Pferdestall. Seine Ehefrau Hilda (Anne Ratte-Polle) ist keine große Hilfe – sie trinkt zu viel. Also macht sich der geplagte Sörensen ans Ermitteln.
Das Regiedebüt von Bjarne Mädel ist eine anspruchsvolle Mischung aus Krimi und Komödie über Abgründe hinter bürgerlichen Fassaden, die Komik und Gewalt, Witz und psychische Erkrankung, Skurrilität und Düsternis geschickt austariert. Die Inszenierung findet dabei sowohl visuell als auch akustisch überzeugende Entsprechungen für die Erkrankung der Hauptfigur.
Das Erste wiederholt den ersten Sörensen-Film, bevor es genau eine Woche später den zweiten („Sörensen fängt Feuer“) als TV-Premiere zeigt.
Großstadtpolizist verschlägt es aufs Land, und Bjarne Mädel ist auch dabei: Wer da an „Mord mit Aussicht“ denkt, hat zwar die richtige Assoziation – und liegt doch total daneben. „Sörensen hat Angst“ von und mit Bjarne Mädel hat kaum etwas gemein mit der heiteren Krimiserie aus der Eifel.
Mädels Regiedebüt erinnert in Tonalität und „Look“ schon eher an den „Tatortreiniger“, die NDR-Serie, mit der der Schauspieler zwischen 2011 und 2018 große Erfolge feierte. Kein Wunder, das Team hinter der rauen Krimikomödie rund um Kriminalhauptkommissar Sörensen ist teilweise deckungsgleich: So waren Kameramann Kristian Leschner und Szenenbildnerin Vicky von Minckwitz bereits für Bilder und Optik der Comedy-Serie zuständig. Und von den Schauspielern traten Katrin Wichmann, die Sörensens neue Kollegin Jenni spielt, oder Matthias Brandt, der hier einen versoffenen Ex-Kurdirektor gibt, auch schon im „Tatortreiniger“ auf.
Mädel konnte sich also auf eine bewährte Truppe verlassen – und die Hauptrolle wurde ihm sogar auf den Leib geschrieben: Autor Sven Stricker hatte sich für die Titelfigur seines Hörspiels, das später zum Roman wurde und schließlich zum Drehbuch, von Mädel selbst inspirieren lassen. Und doch hätte vieles schief gehen können bei diesem ambitionierten, stilbewussten Debüt. Ist es aber nicht: Der sehenswerte Film funktioniert sehr gut.
„Sörensen hat Angst“ erzählt nun also von dem vornamenlosen Polizisten aus Hamburg, der sich freiwillig in die friesische Provinz hat versetzen lassen. Hier hofft der von einer Angststörung und Geräuschüberempfindlichkeit geplagte Ermittler Ruhe und Frieden zu finden. Doch natürlich kommt es anders: Gleich an Sörensens erstem Arbeitstag sitzt Hinrichs, der Bürgermeister des fiktiven Nests Katenbüll, erschossen im Pferdestall seines Anwesens.
Verdächtig erscheint der aufreizend selbstbewusste lokale Fleischbaron Schäffler (Peter Kurth), auch wenn es keinerlei Beweise, ja, nicht mal Indizien gegen ihn gibt. Gemeinsam mit Hinrichs und Frieder Marek (Matthias Brandt), den nach einem Kinderpornografie-Skandal geschassten Kurdirektor des Ortes, bildete er einst einen etwas großkotzigen Männerbund. Nun ist Hinrichs tot, und Marek säuft sich voll Selbstmitleid dem Tod entgegen.
Von Alkohol und Tabletten abhängig ist auch Hilda (Anne Ratte-Polle), Hinrichs‘ Witwe: In der Lage, sich um ihren traumatisierten 12-jährigen Sohn Jan zu kümmern, ist die fahrige Frau jedenfalls nicht. Schließlich wären da noch Sörensens neue Nachbarn, der alleinerziehende Herr Düseler mit seinem ebenfalls verstört wirkenden Sohn Bengt – und plötzlich liegt auch Düseler in seinem Blut…
Es ist ein Panoptikum der Versehrten und Verlassenen, in dem sich Sörensen und Kollegin Jenni auf die Suche nach Antworten begeben. Passend dazu sind die Räume trist, eng, dunkel und heruntergekommen oder aber klinisch kühl. Der Himmel über Katenbüll ist entweder verhangen oder es regnet – die Farbgebung des Films ist dementsprechend grau-braun. Diese Provinz ist jedenfalls alles andere ein Idyll: eine klare Abgrenzung gegenüber den sogenannten Schmunzelkrimis, mit denen ARD und ZDF so gerne ihr Programm bestücken. Und ist die verlotterte Obdachlose, die hier mehrfach durchs Bild tappt, nicht eine grimmig-realistische Antwort auf die langsame Alte, die in „Mord mit Aussicht“ so gerne den Verkehr blockierte?
Sehr komisch ist „Sörensen hat Angst“ gleichwohl. Aber es ist ein lakonischer, langsamer, leiser, aus der Umständlichkeit geborener, absurder Humor. Glatt erzählt ist diese schwarze Krimikomödie rund um ein erschütterndes Verbrechen, dem hier auch mit der nötigen Sensibilität begegnet wird, glücklicherweise nicht: Entstanden ist so – analog zu seiner ruppig-ungelenken Titelfigur – ein wunderbar sprödes Werk, das mit handwerklicher Präzision, Liebe zum Detail und trockenem Dialog sowie großer Schauspielkunst stets den richtigen Ton trifft.