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So war es in Bayern bis 1935 üblich – Neues Digitalisierungsprojekt

In einem Münchner Volkskunde-Institut schlummert ein ungehobener Schatz. Forscher der Uni Passau wollen ihn heben. Und Licht in die Frage bringen, welche Sitten und Bräuche in Bayern bis vor 100 Jahren üblich waren.

Wer bringt an Weihnachten die Geschenke? Was tut ein Taufpate? Gibt es vor der Hochzeit einen Polterabend? Zu welchen Anlässen wird im Dorf getanzt? Mit solchen Fragen wurden in ganz Deutschland von 1930 bis 1935 lokale Bräuche, Rituale und Alltagsgewohnheiten erfasst. Die Antworten landeten in Karteikästen und sind bis heute weitgehend unausgewertet, sagt der Passauer Sprachwissenschaftler Alexander Werth. Das soll sich ändern, mithilfe eines aufwendigen Digitalisierungsprojekts.

Laut Mitteilung der Uni Passau fördert die Bayerische Staatsbibliothek bis 2027 das Vorhaben, bei dem das bayerische Material zum Atlas der deutschen Volkskunde digital erfasst und erschlossen werden soll. Dieser Atlas war den Angaben zufolge das größte geisteswissenschaftliche Projekt, das es je in Deutschland gab. Aus der Hauptbefragung gingen rund vier Millionen Karteikarten hervor.

Allein in Bayern wurden an 1.820 Orten 243 Fragen mit zusätzlichen Unterfragen gestellt und meist handschriftlich beantwortet. Diese Zettel ruhen in Karteikästen im Institut für Volkskunde bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München. Auf ihrer Basis seien bisher nur wenige Karten und Analysen entstanden, heißt es.

“Wir haben mit der Projektförderung die Möglichkeit, einen riesigen Datenschatz zu heben, für den sich jahrzehntelang in der Forschungslandschaft kaum jemand interessiert hat”, sagt Werth. “Zugleich bieten uns die Materialien einen Blick in regionale Alltagskulturen der Menschen, die vermutlich Jahrhunderte alt sind, die sich durch Globalisierung, Urbanisierung und Migration heute aber fast vollständig aufgelöst haben.” Ziel ist, dieses Material mit weiteren Informationen auf dem Internetportal bavarikon.de zu veröffentlichen.