Wie Kirchengemeinden auf das Corona-Minus reagieren

Weil die Einnahmen aus der Kirchensteuer einbrechen, müssen Gemeinden sparen. Ihre Reaktion: Sie besetzen Stellen nicht nach, greifen zu Rücklagen – oder investieren im großen Stil.

Feilen an der Zukunft: Beritt Mahrt und Timo Milewski von der Kirchengemeinde Wilster
Feilen an der Zukunft: Beritt Mahrt und Timo Milewski von der Kirchengemeinde WilsterGemeinde Wilster

Hamburg/Wilster. Jetzt wissen es die Kirchengemeinden ganz genau: Im Haushalt 2021 muss kräftig gespart werden. Die Synode der Nordkirche hat den Haushalt für das laufende Jahr abgesegnet – mit schlechten Nachrichten. 288 Millionen Euro verteilt die Landeskirche an die Kirchenkreise und somit auch an die Gemeinden, das sind etwa 10 Prozent weniger als im Vorjahr. Der Grund: In der Pandemie sind die Einnahmen aus der Kirchensteuer eingebrochen.

„10 Prozent weniger – das ist eine Katastrophe“, sagt Timo Milewski, Gemeindemanager der Kirchengemeinde Wilster bei Itzehoe und damit verantwortlich für Verwaltung und Organisation . Ohnehin sei seine Gemeinde „praktisch pleite“. Er könne nur hoffen, dass es positiv weitergehe und alle Mitarbeiter an Bord blieben. Im vergangenen Jahr ist die Außenhaut der Südseite der Kirche renoviert worden, weil der Kirchenkreis mehr als 100 000 Euro gab. Wie es mit den anderen drei Seiten weitergehe, ist laut Milewski offen.

Pfarrsprengel in der Planung

Um die Wilsteraner Christen wieder in sicheres Fahrwasser zu bringen, haben fünf Gemeinden der Region bereits ein Projekt angeschoben: Wilster, Wewelsfleth, Beidenfleth, St. Margarethen und Brokdorf wollen sich zum Pfarrsprengel Wilstermarsch zusammenschließen. Am Sonnabend, 20. März, soll die Synode des Kirchenkreises Rantzau-Münsterdorf darüber entscheiden. Die Planungen dafür laufen schon länger, denn sparen müssen Gemeinden nicht erst jetzt. Sicher ist bereits, dass nur noch drei, später sogar zwei Pastoren im neuen Pfarrsprengel arbeiten. Auch in weiteren Bereichen soll zusammengearbeitet werden. Bei Kirchenmusik und Jugendarbeit passiere das bereits seit zehn Jahren erfolgreich.

Christian Ohde / epd

Viele Gemeinden können sich Hoffnungen machen auf Unterstützung vom Kirchenkreis, etwa in Hamburg. Denn wie viel Geld eine Gemeinde bekommt, hängt auch von der Entwicklung der Mitgliederzahl ab. Wer ein größeres Minus als 10 Prozent zu erwarten habe, erhalte Hilfe, sagt Monika Rulfs, Sprechering des Kirchenkreises Hamburg-West/Südholstein. Der Kirchenkreis entnimmt den Betrag aus seiner Ausgleichsrücklage. Auch der Kirchenkreis Hamburg-Ost hilft seinen Gemeinden. „Wir haben in den vergangenen Jahren gut gewirtschaftet. Daher können wir die Mindereinnahmen ein Stück weit aus Rücklagen abpuffern“, sagt Kirchenkreisratsvorsitzende Isa Lübbers.

Der Kieler Kirchenkreis Altholstein greift ebenfalls in seine Rück­lagen. Damit soll den Gemeinden garantiert werden, dass das Minus maximal 7 Prozent beträgt.

Gemeinde baut Wohnhaus

Auch die Kirchengemeinde am Osdorfer Born in Hamburg bekommt das Haushalts-Minus zu spüren. Sozial­arbeiterin Margarethe Haller hat zu Ende Oktober des vergangenen Jahres gekündigt, seitdem wurde die Stelle nicht wieder ausgeschrieben. Haller hat die Menschen im Viertel im Umgang mit Ämtern beraten und vor allem bei Hartz-IV-Anträgen geholfen. „Diese Arbeit wird an einem sozialen Brennpunkt wie dem Osdorfer Born dringend gebraucht“, sagt Gemeindepastor Jörg Fenske.

Langfristig hofft Pastor Fenske, mit seiner Gemeinde finanziell unabhängig zu sein. Denn die Gemeinde investiert im großen Stil: Auf eigenem Boden will sie ein Mietshaus für 8 Millionen Euro bauen. Für große Investitionen sei jetzt „genau die richtige Zeit“, sagt Fenske und verweist auf niedrige Zinssätze. Momentan wird laut Fenske noch am Konzept gearbeitet und mit der Stadt verhandelt. Doch wenn alles klappt, sollen Wohnungen für Familien mit vielen Kindern entstehen, von denen die Gemeinde langfristig profitiert.

In guten Zeiten gespart

Mit einem ähnlichen Projekt ist die Gemeinde in Hamburg-Poppenbüttel bereits einen Schritt weiter. Im Herbst soll ein großes Gebäude fertig sein, in dem diakonische Einrichtungen und Wohnungen untergebracht werden sollen. Kostenpunkt: 7 Millionen Euro, in 10 bis 20 Jahren soll sich die Sache rechnen. Doch auch kurzfristig muss die Gemeinde reagieren. Wegen des Haushalts-Minus nimmt sie „einige Zehntausend Euro“ aus ihren Rücklagen, sagt Pastor Stephan Uter. Man habe in guten Zeiten gespart.