So finden Menschen beim Bibellesen zueinander

In Güstrow lesen in der Passionszeit an jedem Sonnabend Menschen gemeinsam aus der Bibel. Ein Besuch bei Gläubigen, die ins Gespräch kommen.

In Güstrow wird aus der Bibel gelesen, bis die Sanduhr abläuft
In Güstrow wird aus der Bibel gelesen, bis die Sanduhr abläuftMarion Wulf-Nixdorf

Güstrow. Am Sonnabend gegen 11 Uhr im Güstrower Domgemeindehaus: Ein warmer Raum, eine große Sanduhr auf dem Tisch, ein Krug mit Wasser und mehreren Gläsern, eine brennende Kerze. Eine Frau liest aus der Bibel. An den in einem Kreis gestellten fünf Tischen sitzen zwei Frauen und drei Männer. Vor einem Mann steht eine kleine Klangschale. Nach genau 15 Minuten schlägt er sie zart an. Die Frau liest den Satz zu Ende, steht auf, setzt sich in den Kreis. Ein anderer nimmt ihren Platz ein und liest weiter.
Zwischendrin, ganz leise, geht mal jemand, eine andere kommt. Mal sind mehr, mal weniger Stühle besetzt. Die eine ist eine halbe Stunde dabei, ein anderer einen halben Tag. Manch einer mag auch nur zuhören, nicht selbst laut lesen. Mal bringt jemand Brötchen oder Obst vorbei – denn es gibt nur eine Pause, die ist jeweils mittags von 13 bis 14 Uhr vorgesehen. Im Nachbarraum – die große Tür steht weit offen – haben es sich mehrere Jugendliche gemütlich gemacht. Einige haben sich in Decken gehüllt, unter ihnen ist ihre Gemeindepädagogin. Sie lesen mit. Manchmal ist auch einer von ihnen dran und liest
vorn am Tisch laut.

Noch kann man mitmachen

Jeden Sonnabend in der Passionszeit, also 20. und 27. Februar, 5., 12., 19. März sowie am Karfreitag, 25.
März, und Karsamstag, 26. März, von 9 bis 21 Uhr lesen Menschen aus der Luther-Bibel in großer Schrift, die vorn ausliegt. Los ging es ganz am Anfang der Bibel: „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde …“ Man könne auch seine eigene Bibel mitbringen, auch andere Übersetzungen – aber inzwischen sei es so, dass doch fast jeder gern die Luther-Bibel nehme, sagt Sarah Kerstan, die seit fünf Jahren in der Domgemeinde als Gemeindepädagogin tätig ist. Ihre Junge Gemeinde, zu der nicht nur die Dom-Jugendlichen gehören, sondern auch die aus der Pfarrgemeinde, aus der Landeskirchlichen Gemeinschaft und aus den beiden freikirchlichen Gemeinden „Horizonte“ und der „Feldgemeinde“, sind in unterschiedlicher Besetzung dabei.
Jeden Donnerstagabend ist Zeit für Gepräche „Jeden Sonntag hören wir kurze Abschnitte aus der Bibel. Auch wenn sie teilweise in der Predigt ausgelegt werden, sind sie doch jeweils aus dem größeren Zusammenhang herausgerissen“, sagt Gemeindepastor Christian Höser. Um einmal dem Text seinen Raum zu geben, hat die Domgemeinde in diesem Jahr zu dem Projekt „Die Bibel am Samstag lesen“ in der Passionszeit eingeladen.
Im Gemeindebüro und im Internet gibt es Listen, in die man sich eintragen kann. Noch gibt es freie Zeiten. Weil man nur in der Mittagspause über die gelesenen Texte ins Gespräch kommen kann, wird jeden Donnerstag von 19 bis 21 Uhr zu einem Gesprächsabend eingeladen, an dem Zeit ist, auch aufeinander zu hören und miteinander ins Gespräch zu kommen – zu den gelesenen Texten, seinen Erfahrungen. „Die jungen Leute allerdings schreiben mir sofort eine Mail, eine SMS und kommentieren oder fragen“, sagt Gemeindepädagogin Sarah Kerstan und fügt hinzu: „Die warten nicht bis Donnerstagabend.“
Für sie ist es eine besonders schöne Erfahrung, dass bei diesem Projekt ihre Konfis genau wie ältere Gemeindemitglieder gemeinsam Bibeltexte lesen und darüber ins Gespräch kommen.