So bemüht sich eine Gemeinde um Kandidaten

Am 1. Advent 2022 finden in der Nordkirche die KGR-Wahlen statt. Dafür werden Ehrenamtliche gesucht. Eine Hamburger Gemeinde lädt Interessierte ein, eine Sitzung zu besuchen – doch der Plan geht nicht auf.

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Hamburg. In einem Jahr stehen in der Nordkirche die Wahlen zu den Kirchengemeinderäten (KGR) an, und die Gemeinden werben um Mitarbeit. Auch die Kirchengemeinde Harburg-Mitte befasst sich mit dem Thema. Im Gemeindebrief werden die Ausschüsse mit ihren Aufgaben vorgestellt. Und das Pfarrteam wendet sich mit einer neuen Idee an Interessierte: Sie können unverbindlich zu einer KGR-Sitzung zum Schnuppern kommen. Die Hoffnung ist, dass Zuhörer sehen, wie die Arbeit konkret aussieht – und Lust bekommen, selbst mitzumachen.

Doch die Resonanz ist derzeit mehr als verhalten. Auf die Einladung zum KGR-Schnuppern habe sich leider noch niemand zurückgemeldet, sagt Pastor Friedrich Degenhardt. Ein solcher Aufruf allein bringe offensichtlich noch nicht so viel. Das Pfarrteam werde nun einen Findungsausschuss gründen, weitere Schritte überlegen und gezielt auf Menschen zugehen. Auch ein Vorstellen der Gemeinde in den verschiedenen Quartieren sei denkbar. Allerdings sei dies in einer Zeit mit Kontaktbeschränkungen umso schwieriger.

Wie aus der Zeit gefallen

Die Gemeinde lässt sich dafür vom „Institut für Engagementförderung“ des Kirchenkreises Hamburg-Ost beraten. Dass sich Gemeindeglieder selten von selbst melden, ist bekannt, sagt Degenhardt. Und zudem sei Harburg ein Stadtteil mit hoher Fluktuation. Eine Verpflichtung für ein Ehrenamt auf lange Zeit schrecke viele ab, meint der 51-Jährige. Und die Zusage für sechs Jahre wirke „wie aus der Zeit gefallen“. Auch die Altersgruppe ab 60, die häufig empfänglich für das Ehrenamt sei, wolle sich nicht für so lange Zeiträume verpflichten, da auch deren Lebensumfeld sich verändere.

Wohin der Trend geht

Das bestätigt auch Jörg Lenke von der Beratungsstelle für kirchliche Arbeit in der Nordkirche. Der 50-Jährige berät Kirchengemeinderäte und weiß, wie schwer es ist, neue Mitglieder zu werben: „Die stehen nicht Schlange.“ Daher müsse man andere Wege gehen.

„Das Ehrenamt hat sich verändert“, sagt Lenke, der zuvor Supervisor und Berater Gemeindediakon war. Der Trend gehe zum Freiwilligendienst mit zeitlicher und thematischer Begrenzung. Diese Veränderung müsse nicht unbedingt schlecht sein, sie bedeute aber ein Loslassen von alten Strukturen und ein Umdenken.

Eine Idee sei, dass sich Fachleute mit bestimmten Qualifikationen projektweise einsetzen. Zum Beispiel könnten sie drei Jahre lang einen Bau begleiten. Und anschließend könnte eine weitere Person in den KGR nachberufen werden. Lenke kann sich auch verkleinerte Räte vorstellen, zu denen beratende Arbeitsgruppen und Verantwortliche für einzelne Bereiche hinzukommen. Auch über die Zusammensetzung und Besetzung der Räte könnte nachgedacht werden. So könne es in größeren Gemeinden genügen, wenn nur ein Pastor stimmberechtigt sei. Auch die Wahl an sich sei aufwendig. Das Wahlrecht ließe sich ändern, so Lenke, und das Thema stehe im Raum. Dies sei aber Aufgabe der Landeskirche.

„Coole Idee!“

Das KGR-Schnuppern hält Lenke für eine „coole Idee“, und dem stehe auch rechtlich nichts entgegen. Er rät allen Kirchengemeinderäten, sich zu öffnen und den Interessierten klar die Aufgaben zu beschreiben. Dazu sollten die Gemeinden Bilanz ziehen und ihre Schätze erkennen und benennen. Weil es schwer sei, Menschen zu motivieren, wenn die Aufgaben allgemein gehalten werden, sollte man sie direkt ansprechen: „Wir brauchen dich für diese Aufgabe. Und es wäre wichtig, wenn genau du dabei wärst.“

Das ist der Plan der Harburger: Sie wollen ihre Gemeinde und ihre Angebote zeigen und Menschen persönlich ansprechen. Mit der Vorstellung der Arbeitsfelder im Gemeindebrief und dem Aufruf zum KGR-Schnuppern ist der erste Schritt getan­.