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Sky zeigt Hommage an den Fußballclub Borussia Mönchengladbach

In den Siebzigern war Borussia Mönchengladbach einst der ärgste Konkurrent des großen FC Bayern. In der Gegenwart ist fußballerisch eher Mittelmaß angesagt. Eine Sky-Doku spürt die Magie des Clubs dennoch auf.

Es gibt wohl kaum andere Bilder im deutschen Fußball, die noch ikonischer wären. Am 23. Juni 1973 wechselte Günter Netzer sich in der Verlängerung des Pokalendspiels Gladbach gegen Köln selbst ein – und schoss daraufhin ein Tor für die Ewigkeit. Gefühlt unendlich oft wurde diese Szene im Fernsehen wiederholt. Und ebenso oft musste der charismatische Fußballer – der bekanntlich “aus der Tiefe des Raumes” kommt – sein Traumtor erklären.

Die Dokumentation (ab 29. August bei Sky) über jenen Club, für den Netzer seinerzeit das letzte Mal auf dem Rasen stand, macht da keine Ausnahme. In seiner Hommage anlässlich des 125-jährigen Bestehens jenes Vereins aus Mönchengladbach – einer Stadt, die ohne den Fußball sicherlich niemand kennen würde – rückt Jens Westen diesen magischen Moment erwartungsgemäß erneut in den Fokus. “Mythos Borussia” heißt die Dokumentation – und mehr Mythos als in diesem magischen Moment strahlte der Club nicht aus.

Sport-Dokumentationen gab es gewiss schon immer. Doch im Zuge der nochmals forcierten Kommerzialisierung des Fußballs im vergangenen Jahrzehnt wurden mehr und mehr solcher Produktionen realisiert. Manche davon, etwa “Die Rückkehr des Pokals – Der Film” über den Triumph von Eintracht Frankfurt im Jahr 2018, avancierten gar zu einem echten kleinen Kinohit. Im gleichen Jahr gab der Sport-Streaming-Anbieter DAZN dem bekannten Dokumentaristen Aljoscha Pause die Möglichkeit, mit “Being Mario Götze” einen Mehrteiler mit verblüffendem künstlerischen Anspruch zu realisieren.

Jens Westens “Mythos Borussia: Eine Legende wird 125” bewegt sich irgendwo dazwischen. Dank zahlreicher Sport-Dokumentationen haben sich die Sehgewohnheiten der Zielgruppe verändert. Ein Film, der schematisch Archivmaterialien über sportliche Triumphe auf dem Rasengeviert aneinanderreihen würde, würde sein Publikum nicht mehr finden. Und so versucht Westen in seinem Film das pulsierende Leben im Verein sicht- und spürbar zu machen – etwa mit Aufnahmen aus der Kabine, in denen der Trainer die Kicker mit Motivationssprüchen anheizt. Oder mit Szenen aus der abgelaufenen Saison, bei denen man auf der Tonspur hautnah mitbekommt, wie der Trainer auf der Bank tausend Tode stirbt.

Das Problem ist nur: Mit fünf deutschen Meisterschaften, drei DFB-Pokalsiegen und dem zweimaligen Gewinn des UEFA-Pokals zählt Borussia Mönchengladbach zwar zu den erfolgreichsten – und auch bei den Fans beliebtesten – Clubs in Deutschland. Doch diese glorreichen Zeiten liegen ein halbes Jahrhundert zurück. Inzwischen hat sich der Verein – zumindest sportlich – zu einer grauen Maus verzwergt. Nach einigen guten Platzierungen in den 2010er Jahren landete die Borussia meist nur noch auf dem elften Platz.

Nein, prickelnd ist die sportliche Leistung des Vereins zurzeit nicht wirklich. Schon gar nicht für das Projekt einer Hochglanzdoku. Aus dieser Not versucht Jens Westen eine Tugend zu machen. Erstaunlich kurz gehaltene Rückblicke auf die glorreichen 1970er verknüpft er mit der pulsierenden Perspektive auf die Gegenwart, wobei eine Aufbruchstimmung vermittelt werden soll. Sinnbildlich dafür steht Tim Kleindienst, der sich 2024 den Gladbachern anschloss und in deren Trikot zum gefeierten Nationalspieler heranreifte. Neben ihm treten Gladbacher Legenden auf, darunter der eher introvertierte Rainer Bonhof und Oliver Neuville. Aus der jüngeren Generation kommt Christoph Kramer ausführlich zu Wort. Seine Statements sind ein belebendes Element, denn kaum jemand trägt sein Herz so auf der Zunge wie er.

Um den “Hochglanz” doch noch zu unterstreichen, setzt der Film auf Lothar Matthäus, der 200 Pflichtspiele für die “Fohlen” absolvierte und sich nach seiner aktiven Karriere als Kommentator zu einem Selbstdarsteller in Sachen Sport wandelte. Für die Dokumentation fungiert er als eine Art Moderator, der an Zusammenhänge erinnert und ein längeres Gespräch mit Günter Netzer führt. Mit einer Mischung aus Prominenten und Akteuren aus der zweiten Reihe, die im Hintergrund die Fäden ziehen, ermöglicht der Film einige Blicke hinter die Kulissen des Geschäfts.

Man bemerkt allerdings bald, dass diese Hommage an einen der bekanntesten deutschen Fußballclubs auch aus Eigennutz entstand. “Mythos Borussia: Eine Legende wird 125” feiert ein Produkt der Bundesliga, an dessen Vermarktung Sky ja selbst maßgeblich beteiligt ist. An der Faszination Fußball, die hier und da schon direkt eingefangen wird, verdient der Sport-Streaminganbieter mit.

Aus diesem Grund wohl nimmt der Film den Fuß nur selten vom Gaspedal der Emotionen. Hier und da gelingen jedoch witzige Augenblicke. Etwa die Anekdote von Günter Netzer, der erzählt, wie Sepp Herberger in seine Disco “Lovers’ Lane” kam, wo aber die Musik so laut war, dass er sich mit der Trainerlegende gar nicht über Fußball unterhalten konnte. In solch schönen Momenten wird Fußball wieder das, als was man ihn traditionell bezeichnet: nämlich die “wichtigste Nebensache”. Teil zwei der Produktion ist auf Sky erst ab Herbst abrufbar.