Sind Frauen ab 50 unsichtbar? Für einen anderen Blick aufs Alter

In Würde altern – das heißt besonders für Frauen: möglichst lange möglichst jung erscheinen. Wenn das nicht mehr geht, geht auch für Frauen nicht mehr viel – oder? Eine Altersforscherin plädiert für einen anderen Blick.

Die Wangen beginnen zu hängen, der Bauchspeck wächst. Das ist bei älter werdenden Männern wie auch Frauen der Fall. Bei Männern hat es aber keine Auswirkung auf ihre Jobaussichten. Gerade Schauspielerinnen über 47 Jahre haben weniger Chancen auf gute Rollen, wie etwa Gesine Crukowski oder Maren Kroymann immer wieder öffentlich kritisieren. Frauen in der zweiten Lebenshälfte bekämen oft nur stereotype Rollen wie die aufopfernde Mutter, die verlassene Frau oder die liebevolle Oma angeboten. In Kino und Fernsehen kommen demnach auf sieben Männer ab fünfzig nur drei Frauen.

Und auch in anderen Berufsbereichen werden Frauen ab Mitte 40 bei Beförderungen übergangen oder gar nicht erst eingestellt: Das zeigen aktuell über 700 Fälle aus der Beratung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Doch Frauen in diesem Alter brauchten „keine Anti-Aging-Tipps oder vermeintliche Komplimente“, mahnte die Antidiskriminierungsbeauftragte, Ferda Ataman, jüngst bei der Vorstellung der aktuellen Kampagne „Ohne mich würdet ihr alt aussehen“. Sondern: „Sie brauchen ein Umfeld, das sie wertschätzt und nicht diskriminiert.“

Etwa 21 Millionen Frauen in Deutschland sind über 47 Jahre – das sind mehr als ein Viertel der Gesamtbevölkerung. Die Salzburger Altersforscherin Sonja Schiff fordert neben mehr weiblichem Selbstbewusstsein einen grundsätzlichen Perspektivwechsel. „Als Gesellschaft haben wir einen negativen Blick aufs Alter – dass man nur verliert. Hier muss sich etwas ändern“, betont die Gerontologin.

Sätze wie „Die ist aber jung geblieben“ hält sie für kontraproduktiv. „Ich zum Beispiel bin nicht jung geblieben, sondern mit 58 agil“, sagt die 58-Jährige. Es gehe darum, das eigene Bild vom Alter neu zu definieren – und auch schlicht zu akzeptieren, dass man älter werde.

Grau, unattraktiv, geistig eingeschränkt – das Altersbild der Gesellschaft sei diskriminierend und betreffe vor allem Frauen. „Gerade deshalb sollten wir das Bild von der unsichtbaren älteren Frau nicht selbst immer wieder reproduzieren“, empfiehlt Schiff.

Stattdessen sollten Frauen die vielen positiven Seiten ihres Älterwerdens sehen – und diese auch kommunizieren. „Wir sind in Bewegung, wir sind selbstbewusst, kompetent und frei. Frauen werden nicht einfach unsichtbar im Alter. Sondern wir lassen sie als Gesellschaft verschwinden“, sagt die Gerontologin. „Ich habe neulich an der Bushaltestelle eine etwa 80-jährige Frau angesprochen und sie hat mir nach unserem Plausch gesagt, dass ich seit zwei Wochen der erste Mensch war, der mit ihr geredet hat.“

Unabhängig von allen äußerlichen, der Zeit geschuldeten Veränderungen gebe es „ein altersloses Selbst, bei dem wir gar nicht spüren, das wir älter werden“, erklärt Schiff. „Eine 101-Jährige hat mir mal gesagt: ‚Die Seele hat kein Alter. Wenn ich morgens im Frühling Vogelgezwitscher höre, will ich mit beiden Beinen aus dem Bett springen. Erst dann fällt mir ein, dass ich das ja gar nicht mehr kann.'“

Aber auch wenn Frauen das Älterwerden selbstbewusst annehmen: Ohne gesellschaftlichen Druck geht es nicht. Dass ihren Bedürfnissen nicht genug Beachtung geschenkt wird, kann unter Umständen sogar lebensgefährdend sein: Wenn sie Gewalt erleben, werden sie mit ihrem Problem nicht ernst genommen, heißt es etwa in einem Online-Beitrag auf der Seite des Bundesfamilienministeriums.

„Meldet sich beispielsweise eine 68-Jährige bei der Polizei und zeigt eine Vergewaltigung an, kann es ihr passieren, dass man ihre Situation nicht ernst nimmt, ihr nicht glaubt“, sagt Denise Klein von der Beratungsstelle „Paula“, die Frauen ab 60 Jahren bei traumatischen und belastenden Ereignissen berät.

Zudem beobachtet sie, dass die Zugangshürden für ältere Frauen oft zu hoch seien. „Sie kommen im Hilfesystem einfach nicht vor. Sie fühlen sich auch nicht angesprochen“, so Klein. Es gebe etwa keine barrierefreien Schutzwohnungen oder Schutzhäuser mit Pflegedienst.