Serientipp: Hinter dem Abgrund

Eine vierteilige Dokuserie begibt sich auf Spurensuche in der Lausitz.

Auszug aus dem Titelbild
Auszug aus dem TitelbildPromo

Mittendrin im Wandel befinden sie sich in der Lausitz, die Menschen in den Braunkohlerevieren des süd­lichen Brandenburgs und des öst­lichen Sachsens. Sie leben im Gebiet zwischen Spremberg, Weißwasser und Hoyerswerda, zwischen den Tagebauen Nochten, Schwarze Pumpe und Jänschwalde, in alten Dörfern, die noch nicht abgerissen wurden, in neu gebauten und zwischen den riesigen Erdlöchern, „die ja nun mal da sind“ und aus denen zum Teil die Lausitzer Seenlandschaft entstanden ist. Ein Leben in verwundeter Landschaft und immer in Sichtweite eines Abgrunds.

Eine Koproduktion von RBB und MDR begibt sich auf Spurensuche in der Lausitz. Die Filmemacher Lutz Pehnert und Kerstin Holl zeichnen das Bild einer Region im Umbruch. In ihrer vierteiligen Dokuserie porträtieren sie Menschen, die dort leben. Diese Porträts wirken nachdrücklich erhellend, weil sie immer auf Augenhöhe bleiben. Über mehrere Monate haben Pehnert und Holl ihre Protagonist*innen begleitet und ihnen Raum für ihre Sicht der Dinge gegeben. Selbstverständlich ist das nicht, wo aktuell doch gern über den „Ossi“ und nicht mit ihm gesprochen wird.

Wir hatten ja nüscht

Betroffen sind sie alle auf die eine oder andere Weise: vom Strukturwandel, vom demografischen Wandel, vom Klimawandel und vom gesellschaftlichen Wandel. Die Naturschützerin etwa, deren sorbische Familiengeschichte bis ins 18. Jahrhundert zurückreicht, der Vor­arbeiter im Tagebau, der den Kohleausstieg 2030 für falsch hält. Da ist die Cheerleaderin der Lausitzer Füchse aus Weißwasser – zugleich Kromlauer Blütenkönigin –, die ihren Blick auf die jüngere Generation hat. Den Nachwuchs fördern, nicht weggehen, sich neu erfinden, so ihr Mantra. Oder der ehrenamtliche Bürgermeister, der von den Kirschplantagen schwärmt, die früher sein Heimatdorf, die „heilige Stätte“, umrahmten. Wir hatten ja alles – und eben nicht: Wir hatten ja nüscht.

Die in Hoyerswerda aufgewachsene Architektin, die in Weißwasser lebendige Orte schaffen möchte. Oder die Bürgermeisterin aus Spremberg, die in der Windkraft eine Zukunft sieht und weiß, dass auch strukturierter Zuzug notwendig ist, um die Region zu halten. Nicht nur von Deutschen. Denn das können sie doch in der Lausitz, Menschen willkommen heißen. Als die DDR dort in den 1950er Jahren begann, ihre Braunkohlekombinate zu bauen und die Jobs und neuen Wohnungen Menschen aus allen Windrichtungen anzogen, hat es doch schon einmal funktioniert. Fazit: Viel Liebe für diesen Blick in eine unterschätzte Region.

Hinter dem Abgrund – Leben in der Lausitz (RBB, MDR, 2022). 4 Teile in der ARD-Mediathek. Teile 1 & 2 sind bis 29. September verfügbar, Teile 3 & 4 bis 2. Oktober.