Ukraine-Krieg: Selenskyj widerspricht Papst-Appell deutlich

Der ukrainische Präsident Selenskyj erklärt Papst Franziskus nach dessen Verhandlungs-Appell, was Kirche ausmacht. Schärfer gehen die ukrainischen Religionsgemeinschaften den Papst an.

Präsident Wolodymyr Selenskyj hat dem Papst-Appell eine klare Absage erteilt
Präsident Wolodymyr Selenskyj hat dem Papst-Appell eine klare Absage erteiltImago / ZUMA Wire

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat der Äußerung von Papst Franziskus für „Mut zur weißen Fahne“ im russisch-ukrainischen Krieg deutlich widersprochen. Er dankte am Sonntagabend in seiner täglichen Videoansprache allen Geistlichen, die an der Frontlinie die ukrainischen Streitkräfte mit Gebeten, Gesprächen und Taten unterstützten und das Leben und die Menschlichkeit schützten. Ohne den Papst zu erwähnen, fügte Selenskyj offenbar an ihn gerichtet hinzu: „Das ist, was die Kirche ist: zusammen mit den Menschen sein, nicht zweieinhalbtausend Kilometer entfernt, irgendwo, um virtuell zu vermitteln zwischen jemandem, der leben will, und jemandem, der dich zerstören will.“

Papst-Worte lösen viel Kritik aus

In einem Interview hatte der Papst der Ukraine den „Mut zur Weißen Fahne“ und zu Verhandlungen unter internationaler Vermittlung nahegelegt. Vatikansprecher Matteo Bruni erklärte später, der Papst habe „vor allem zu einem Waffenstillstand aufrufen und den Mut zu Verhandlungen wiederbeleben“ wollen. Die Papst-Worte hatten international viel Kritik und wenig Zustimmung ausgelöst. Vor allem in Osteuropa meldeten sich Regierungen zu Wort und wiesen die Äußerungen des Papstes vehement zurück.

Selenskyj betonte zugleich, als Russland den Krieg begonnen habe, seien alle Ukrainer zur Verteidigung aufgestanden, Christen, Muslime und Juden. Russische Mörder und Folterer stießen nur deshalb nicht weiter nach Europa vor, weil sie von Ukrainern mit Waffen in der Hand und unter der blau-gelben Flagge zurückgehalten würden. Russland habe in der Ukraine viele weiße Häuser und Kirchen zerstört, so Selenskyj. Das mache sehr klar, wer den Krieg beenden müsse. Er meinte damit Russland.

Papst-Äußerung hat „nichts mit Frieden zu tun“

Der Gesamtukrainische Rat der Kirchen und Religionsgemeinschaften kritisierte die Papst-Äußerung mit noch deutlicheren Worten. Wenn sich die Ukraine „der Gnade des Feindes“ ergeben würde, habe das „nichts mit Frieden zu tun“, sondern bedeute den „Sieg der Sklaverei über die Freiheit“, betonte das Gremium ebenfalls am Sonntagabend. „Vor dem triumphierenden Bösen zu kapitulieren, kommt einem Zusammenbruch der universellen Idee der Gerechtigkeit gleich, einem Verrat an den grundlegenden Leitlinien, die uns in den großen spirituellen Traditionen vermacht wurden.“ Deshalb segne man die Gläubigen bei der Verteidigung ihres Landes und werde dies auch weiterhin tun. Ebenso werde man weiter „für den Sieg über den Feind und einen gerechten Frieden“ beten.

Dem Rat gehören 15 Glaubensgemeinschaften – christliche, jüdische und muslimische – sowie die ukrainische Bibelgesellschaft an. Damit repräsentiert er nach eigenen Angaben mehr als 95 Prozent der religiösen Gemeinden des Landes.