Schon wieder gescrollt und gedaddelt, statt mit den Kindern zu spielen oder die wichtige Präsentation vorzubereiten? Solche Entwicklungen können ein Alarmzeichen sein. Eine Expertin erklärt, wie sich gegensteuern lässt.
Klare Regeln für Smartphone und Internet – die brauchen nach Worten einer Expertin nicht nur Kinder. “Es hilft, sich selbst zu beobachten und zu reflektieren”, sagte die Kognitionswissenschaftlerin Silke M. Müller im Interview der Zeitschrift “Psychologie Heute” (November-Ausgabe). Das Handy zu bestimmten Zeiten in den Flugmodus zu schalten und wegzulegen, könne durchaus hilfreich sein. Selbstkontrolle sei nicht banal – jeder Mensch brauche sie ständig. Doch sie lasse sich erlernen und trainieren.
Müllers Forschung an der Universität Duisburg-Essen hatte zuletzt gezeigt, dass Menschen mit wenig ausgeprägter Selbstkontrolle eher gefährdet seien, eine riskante oder krankhafte Online-Nutzung zu entwickeln. “Es geht dabei nicht um die Anzahl der Stunden, die man im Internet verbringt”, erklärte sie. Entscheidend sei, ob man die Nutzung angemessen priorisieren könne – oder etwa während der Arbeit pornografische Inhalte schaue, sich durch Online-Shopping oder Glücksspiel verschulde.
Ein suchtartiges Online-Verhalten zeige sich oft darin, dass andere Bereiche litten – etwa der Schlaf, Beziehungen zu anderen Menschen oder die Leistung in der Schule beziehungsweise im Beruf. Die Wissenschaftlerin warnte, dass auf Dauer auch eine Verschlechterung von kognitiven Leistungen drohe.
Derzeit wird der neue Klassifizierungskatalog der Weltgesundheitsorganisation WHO, der ICD-11, auch in Deutschland implementiert. Darin wird einerseits die früher sogenannte Pornosucht als zwanghafte sexuelle Verhaltensstörung gelistet, andererseits die “Gaming Disorder” erstmals als eigenständige psychische Störung anerkannt.
Eine Studie der Münchner Hochschule Macromedia hatte kürzlich gezeigt, dass bei der Nutzung von Social Media bis weit ins Erwachsenenalter eine Suchtgefahr besteht. Bei jedem vierten Deutschen finden sich demnach bis zum Alter von 44 Jahren pathologische und problematische Muster. Beratungsangebote brauche es für alle Altersgruppen.