„Selbst Muslime haben nichts gegen ein Vaterunser“

Seit Februar 2015 ist Walter Bartels (65) Flüchtlingspastor im evangelischen Kirchenkreis Mecklenburg. Ende März geht er in den Ruhestand – seine Rückschau fällt gemischt aus.

Der Mecklenburger Flüchtlingspastor Walter Bartels
Der Mecklenburger Flüchtlingspastor Walter BartelsAnne-Dorle Hoffgaard / epd

Schwerin. Drei Jahre war Walter Bartels der erste Flüchtlingspastor im evangelischen Kirchenkreis Mecklenburg. Kurz vor dem Eintritt in der Ruhestand Ende März fällt die Rückschau des 65-Jährigen auf diese Tätigkeit gemischt aus. "Die Welcome-Atmosphäre des Anfangs, auch die Offenheit hat sich deutlich abgekühlt", sagt Bartels. Aber das sei fast zu erwarten gewesen. "Wir wurden ja alle, auch in der Kirche, von den Ereignissen überrollt. Auch für mich war der Anfang holprig." 
Als er im Februar 2015 sein Amt antrat, hatte er zwei Monate lang kein Büro. In die Erstaufnahmestelle für Asylbewerber in Nostorf-Horst kam er anfangs nicht hinein, weil er keine Genehmigung hatte. Außerdem sei es für ihn als "Wessi" ein "kleiner West-Ost-Schock" gewesen, dass Christen in Ostdeutschland so sehr in der Minderheit sind und Kirche im öffentlichen Leben eine weniger große Rolle spiele, sagt der gebürtige Husumer, der in Schleswig-Holstein aufwuchs und schon in Hamburg, Schleswig-Holstein und Tansania als Pastor und Seelsorger gearbeitet hatte. 

Flüchtlinge wollen ihre Geschichte erzählen

Doch mittlerweile finde er gut, "dass er in dieser Arbeit gelandet ist", denn sie weite den Blick auf die Welt. "Vor allem bin ich sehr dankbar für das Engagement so vieler Menschen in der zurückliegenden Zeit."
Mit Flüchtlingen komme er leicht in Kontakt, sagt Walter Bartels. "Bloßes Rumgehen" in seinem Kollarhemd, das ihn als Theologen sichtbar macht, reiche in der Erstaufnahmeeinrichtung oft aus, um angesprochen zu werden. "Es gibt einen sehr starken Bedarf, die eigene Geschichte zu erzählen, Fluchtereignisse zu teilen, damit man damit nicht so allein ist." Am Anfang des Gesprächs stehe oft ein Gebet und am Abschluss ein Segen. "Selbst Muslime haben nichts gegen ein Vaterunser."
Zu den Höhepunkten seiner Arbeit gehört für Bartels der persönliche Kontakt zu einem iranischen Ehepaar, das in seiner Heimat bereits heimlich eine christliche Hauskirche besuchte hatte. Sie ließen sich im Juni 2017 in der Schweriner Petruskirche taufen und engagieren sich dort in der Kirchengemeinde. Die beiden Bauingenieure gäben sich viel Mühe, in Deutschland anzukommen, meint Bartels.

Euphorie verflogen

Das A und O bei der Integration sei es, die deutsche Sprache zu lernen, ist der Flüchtlingspastor überzeugt. Wichtig sei aber auch die Integration durch Ausbildung und Arbeit. Außerdem sollten die Flüchtlinge die demokratischen Strukturen Deutschlands verstehen lernen.
Ein starkes Integrationshemmnis sei hingegen die lange Verweildauer in der Erstaufnahmeeinrichtung von inzwischen bis zu acht Monaten. Hinzu komme, dass viele Menschen nicht mehr so euphorisch und spontan wie vor zwei, drei Jahren Flüchtlingen ihre Hilfe zusagten. Sie schauten heute genauer, wie viel sie leisten können. Auch sagten ihm viele Flüchtlinge heute: "Hier spricht niemand mit uns." Veränderungen merkt Walter Bartels auch beim Kirchenasyl. Es gebe zu wenig Orte für den steigenden Bedarf.

Angst vor Abschiebung

Einen Stimmungstiefpunkt erlebte der Flüchtlingspastor vor einem Monat. Da war der christliche Andachtsraum in der Erstaufnahmeeinrichtung in Schwerin/Stern-Buchholz abgeschlossen worden, weil ein junger Mann aus Eritrea aus Angst vor der Abschiebung immer vor dem Altar übernachtete. "Das hat mich wirklich im Mark getroffen." Der sakrale Raum sei ein Schutzraum, der Tag und Nacht auf sein müsse.
Das Thema Flüchtlinge wird Walter Bartels wohl auch im Ruhestand in Süddeutschland beschäftigen. Er könne sich vorstellen, Supervisionen für Ehrenamtliche anzubieten, sagt der Theologe. Damit sie einen realistischen persönlichen Kontakt mit den Flüchtlingen entwickeln könnten. (epd)