Seit einem halben Jahr ist Kiffen teils legal – wie läuft’s?

Sechs Monate nach der Teillegalisierung von Cannabis kommt der Prozess nur schleppend voran. Polizisten fühlen sich durch zusätzliche Kontrollen belastet. Drogenberater sind weiterhin skeptisch.

Seit 1. April ist der Besitz und Konsum von Cannabis teilweise legal
Seit 1. April ist der Besitz und Konsum von Cannabis teilweise legalImago / Imagebroker

Seit einem halben Jahr ist das Cannabisgesetz in Kraft. Inzwischen gingen bundesweit 314 Anträge für Cannabis Social Clubs ein; 15 wurden genehmigt. Die Lizenzverfahren verlaufen offenbar schleppend: Einige Vereine kritisierten bürokratische Hürden und Planlosigkeit. In Berlin etwa war nach Inkrafttreten des Gesetzes monatelang unklar, wer über die Genehmigung der Clubs entscheidet. Im August verkündete der Berliner Senat schließlich, dass das Landesamt für Gesundheit und Soziales in Zukunft zuständig sei.

Nutzen wie auch Risiken der Teillegalisierung sind weiterhin umstritten. In einem Offenen Brief an die Bundesregierung schreibt eine Expertengruppe, Erfahrungen aus anderen Ländern deuteten darauf hin, “dass eine ausgewogene Teil-Legalisierung (wie im CanG vorgesehen) keine Erhöhung des Konsums zur Folge haben wird”. Aktuelle Studien zeigten, dass “cannabis-bezogene Gesundheitsschäden in Ländern mit Legalisierung geringer sind als in Ländern mit Cannabisverbot”.

Drogenberater: Wirkung von Cannabis wird unterschätzt

Drogenberater befürchten allerdings, die Wirkung von Cannabis würde unterschätzt. “Ich lehne das Cannabisgesetz ab”, sagt zum Beispiel Dieter Fleischmann, Berater für Drogensüchtige des Kreuzbundes Hamburg. “Aus meiner Sicht wird die Droge zu lasch behandelt. Ist eine legalisierte Droge wie Alkohol nicht genug?” Ob das Cannabisgesetz erfolgreich ist, lasse sich noch nicht einschätzen. Wer süchtig sei, falle aber leicht in einen Jojo-Effekt, selbst wenn die konsumierte Menge der Droge beschränkt werde.

Fleischmann selbst ist seit 20 Jahren trockener Alkoholiker. Irgendwann fanden ihn Freunde mit 3,3 Promille auf der Straße liegen. Nach der Entgiftung in einer Spezialklinik gelang ihm die Abstinenz, aber: “Wenn ich heute auch nur ein Bier in der Kneipe bestellen würde, könnte ich das Ende des Jahres wahrscheinlich nicht mehr erleben.” Für Abhängige gebe es viele Wege, an Drogen zu kommen.

Gewerkschaft der Polizei klagt über Belastungen bei Kontrollen

Einer von ihnen ist Marco W. (Name geändert). Der Hamburger war jahrelang heroinabhängig, nahm verschreibungspflichtige Medikamente zu sich; er arbeitete in einem Krankenhaus. Heute ist er clean. Cannabis raucht er trotzdem noch: “Ab und zu, wenn ich im Urlaub bin.” In Ägypten kenne er einen Händler. Bei Cannabis-Clubs habe er sich bislang nicht um Mitgliedschaft beworben. “Wenn jemand kiffen will, konnte er das auch vor der Teillegalisierung tun”, sagt W.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) klagt über zusätzliche Belastungen bei Kontrollen. Im Straßenverkehr gilt wie bei Alkohol ein Grenzwert. Seit dem 22. August liegt der bei 3,5 Nanogramm THC je Milliliter Blutserum. Bislang gebe es aber keine flächendeckend geeigneten Vortests, so GdP-Bundesvorstand Alexander Poitz. Der Schwarzmarkt boome. Die Wirkung und der damit verbundene THC-Wert im Blutserum sei zudem für die jeweilige Person kaum einschätzbar.

Cannabis-Clubs bieten Programme zur Vorbeugung von Suchtproblemen an

Erwachsene ab 18 Jahren dürfen maximal drei Cannabispflanzen für den Eigenkonsum anbauen. Der Verkauf von Cannabis-Samen aber ist in Deutschland verboten. Wer Cannabis privat anbauen möchte, darf von Social Clubs bis zu sieben Samen oder fünf Stecklinge pro Monat beziehen. Erlaubt sind auch Bestellungen aus dem EU-Ausland. Der Vertrieb ist bislang jedoch noch ungeregelt; Herkunft und Qualität der Samen lassen sich deshalb schwer nachvollziehen. Auch für die Kontrollen von Cannabisclubs gibt es bislang keine einheitliche Regelung. Die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen etwa kündigte an, das Landesamt für Verbraucherschutz werde die Anbau-Vereinigungen stichprobenartig überprüfen.

Cannabis-Clubs bieten derweil Programme zur Vorbeugung von Suchtproblemen an. Wer Mitglied werden will, muss das beim Verein beantragen. Die Cannabismenge pro Monat und Mitglied ist begrenzt und wird gedeckt durch Mitgliedsbeiträge. Diese variieren stark. Manche Clubs verlangen fünf, andere 80 Euro pro Monat. Der Andrang an Cannabis-Clubs ist dem Vernehmen nach groß. Mehrere Anbau-Vereinigungen berichten von Warteschlangen. Manche stoppten die Aufnahme komplett.

In Cannabis-Clubs dürfen maximal 500 Mitglieder gemeinsam zum Eigenkonsum Cannabispflanzen anbauen. Das Mindestalter beträgt 18 Jahre. Der kommerzielle Vertrieb ist verboten. Die Clubs müssen deshalb als eingetragene Vereine oder Genossenschaften organisiert sein.