Der Griff zum Autogurt ist für viele Menschen selbstverständlich. Das war nicht immer so. Welche Bedenken es bei der Einführung vor 50 Jahren gab.
Auf Deutschlands Straßen schnallt sich fast jeder an. Das zeigen Verkehrsbeobachtungen. Es war aber ein langer Weg, bis sich der Sicherheitsgurt derart durchgesetzt hat. Seit 50 Jahren gibt es eine Anschnallpflicht in Deutschland – zunächst nur für den Fahrersitz. Tatsächlich anlegen wollten den Sicherheitsgurt viele Autofahrerinnen und -fahrer trotzdem zunächst nicht. Erst die Einführung eines Bußgeldes brachte den Durchbruch.
Der Fernsehklassiker “Der 7. Sinn” widmete der Gurtpflicht kurz nach ihrer Einführung eine ganze Sendung. Sie galt ab dem 1. Januar 1976. “Dennoch sieht man, dass immer noch viele ohne Gurt fahren”, rügte Sprecher Egon Hoegen. “Nach wie vor bestehen hier Vorurteile, indem manch einer befürchtet, er werde in seiner Bewegungsfreiheit behindert und könne sich im Notfall nicht rechtzeitig befreien.”
Später im Beitrag geht es um weitere Sorgen rund um den Anschnallgurt: Dass er den Pullover verdreckt, dass er sich unpraktisch verdreht und verklemmt, dass er Ersthelfer nach einem Unfall daran hindert, die verletzte Person aus dem Auto zu ziehen.
Aus heutiger Perspektive erscheinen manche der Argumente lustig bis fahrlässig. Denn der Sicherheitsgurt hat dazu beigetragen, dass die Zahl der Verkehrstoten kontinuierlich gesunken ist. 1973 starben allein in Westdeutschland 18.000 Menschen im Straßenverkehr. Mittlerweile sind es weniger als 3.000 pro Jahr – in ganz Deutschland.
Wobei nicht allein der Anschnallgurt zu dieser drastischen Reduzierung beigetragen hat, wie der Experte für Mobilitätsforschung bei der ADAC-Stiftung, Thomas Heinrich, einordnet. So sei in dieser Zeit zum Beispiel auch die Helmpflicht für Motorradfahrende eingeführt worden.
Ab 1974 mussten Autohersteller einen Sicherheitsgurt in Neuwagen einbauen. Zwei Jahre später kam die Anschnallpflicht für die Fahrerin oder den Fahrer. Erst im August 1984 wurde ein Verstoß auch mit einem Bußgeld geahndet – anfangs mit 40 D-Mark. Heute sind es 30 Euro.
Wer sich nicht anschnallt, habe bei einem Verkehrsunfall ein vielfach höheres Risiko, tödlich zu verunglücken, wie Heinrich erklärt. Heutzutage ist das Anschnallen aber auch kein Diskussionsthema mehr wie vor 50 Jahren. Laut einer Verkehrsbeobachtung der Bundesanstalt für Straßenwesen waren im Jahr 2024 in Deutschland 98,3 Prozent aller erwachsenen Autoinsassen angeschnallt.
Dass zum Sicherheitsgurt beinahe jeder ganz automatisch greift, zeigt auch eine repräsentative Yougov-Umfrage im Auftrag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). 88 Prozent der Befragten fanden das Anschnallen im Auto sehr selbstverständlich und 7 Prozent eher selbstverständlich. Nur 1 Prozent sagte, sie fänden es überhaupt nicht selbstverständlich, einen Gurt zu benutzen.
Bleibt noch die Frage nach dem richtigen Anschnallen. Laut ADAC verliert der Gurt seine Schutzwirkung, wenn er nicht ordentlich angelegt ist. Er sollte auf die Körpergröße angepasst sein, um Schulter und Becken bei einem Unfall festzuhalten. Dicke Winterjacken sollten Autoinsassen – vor allem Kinder – vor dem Anschnallen besser ausziehen. Verdrehte Gurte sind zu entwirren, Einrisse sollten nie selbst genäht oder repariert werden. Weitere Tipps des ADAC: Niemals zu zweit anschnallen und den Gurt nicht unter den Achseln hindurchführen.
Übrigens gibt es einige wenige Ausnahmen von der Gurtpflicht. So müssen sich Paketzusteller nicht anschnallen – allerdings nur während der Auslieferung, also wenn sie alle paar Meter das Fahrzeug verlassen müssen. Wer rückwärts oder Schrittgeschwindigkeit auf einem Parkplatz fährt, darf ebenfalls auf den Gurt verzichten. Auch Fahrgäste in Nahverkehrsbussen müssen nicht angeschnallt sein.
Zum “Lebensretter Nummer Eins” erklärte die Verkehrssendung “Der 7. Sinn” den Anschnallgurt 1976. In seiner legendär sonoren Stimme fasst Egon Hoegen am Ende des Beitrags zusammen: “Deshalb niemals oben ohne.” Gezeigt wird dazu der nackte Oberkörper einer Frau mit Anschnallgurt. Nicht nur die Verkehrssicherheit hat sich in den vergangenen 50 Jahren verbessert.