Seine Lufthoheit macht Luft auf mehr
Wem das Pfingstbrausen zu unkonkret ist, findet in Amberg Kunstwerke rund um das Gasgemisch von Wilhelm Koch
„Der Wind weht, wo er will; du hörst sein Brausen, weißt aber nicht, woher er kommt und wohin er geht.“ Im Johannes-Evangelium ist dieses Jesus-Wort überliefert, das die besagten Qualitäten der Lüfte auch dem Heiligen Geist zuspricht. Dieser kommt in der Apostelgeschichte des Lukas als kräftiges Brausen über die versammelten Jünger. Der Künstler Wilhelm Koch bringt diese Erzählungen auf eine einfache Formel: „Gott ist für mich Luft!“
Seinem Gott hat Koch ein angemessenes Haus gebaut: 2006 eröffnete im oberpfälzischen Amberg auf seine Initiative das einzige Luftmuseum im deutschsprachigen Raum. Dort wird nicht etwa Luft ausgestellt, sondern Kunstwerke, die sich mit dem Gasgemisch auseinandersetzen. Außerdem präsentiert die Ausstellung Lufttechnik auf höchstem Niveau. Viele Hersteller der Branche haben sich in und um Amberg angesiedelt. „Ein Zufall. Vielleicht eine Fügung“, sagt Koch verschmitzt.
Der Künstler kokettiert mit seinem Verhältnis zum Glauben. Der 57-Jährige bezeichnet sich selbst als „nicht sehr religiös“. Doch gerade in Bayern kann man sich der Religion auch als künstlerischer Freigeist nie so ganz entziehen. Nicht nur, dass das Luftmuseum in einem ehemaligen Kloster am Ufer der Vils untergebracht ist. Koch hat daneben auch eine Kapelle aus Asphalt gestaltet und sammelt Geld für die Errichtung eines „Europa-Tempels“. Die meiste Zeit seines Ehrenamtes widmet er aber der Luft.
Eigentlich ist Amberg traditionell eine Stadt des Eisens. Im Mittelalter wurde auf der Vils Erz verschifft. Heute prangt der Schriftzug „Luftkunstort Amberg“ auf einem gelben Schild. Allerdings nicht am Ortseingang, sondern bisher nur vor dem Luftmuseum. In der Stadtpolitik weiß man den engagierten Künstler Koch aber so sehr zu schätzen, dass auch echte Straßenschilder mit Hinweisen auf das Museum diskutiert werden.
12 000 Besucherinnen und Besucher im Jahr haben dafür gesorgt, dass die Amberger ihr kurioses Museum inzwischen als Aushängeschild der Stadt verstehen. Auch wenn sich die defizitäre Kultureinrichtung nur dank spendabler Sponsoren über Wasser halten kann. „Es gibt kein Museum, das sich selbst trägt“, sagt Koch. „Da müssten wir die Eintrittskarten zehnmal teurer machen.“ Stattdessen setzt er darauf, das Museum für möglichst viele Besucherinnen und Besucher interessant zu machen. Die jüngeren feiern ihren Geburtstag im fliegenden Klassenzimmer und bestaunen die Luftschlange im Terrarium. Die älteren begeistern sich für kluge politische Luftkunst und technische Meisterwerke.
Zur Luft kam Wilhelm Koch über Gummi: „Mich hat schon immer Menschengemachtes interessiert.“ In seinen Werken benutzt der Künstler häufig Schläuche aus Traktorreifen. Ursprünglich hatte das einen pragmatischen Grund: Fehlerhafte Schläuche waren als Ausschussmaterial günstig zu bekommen. Industriell hergestellten, modernen Materialien haucht Koch durch die Luft ein organisches Eigenleben ein. Wie pralle, schwarze Würmer winden sich die Schläuche in wirren Knäueln oder werden durch starre Rahmen in ihrem luftig-lebendigen Drang gebremst.
Eines haben alle Arbeiten der verschiedenen ausgestellten Künstlerinnen und Künstler gemeinsam: Sie machen Unsichtbares, wenig Wahrgenommenes sichtbar. „Die Luft ist immer da, überall, aber kaum jemand macht sich darüber Gedanken“, sagt Koch. Das zu ändern, ist ein Ziel der Ausstellung. Häufig geschieht das mit einem Augenzwinkern. Der fliegende Teppich muss angebunden werden, eine Luftorgel bringt kaum wahrnehmbare Töne aus Plastiktüten hervor. Die pneumatisch angetriebene Rohrpost zieht ihre Schleifen, ohne jemals anzukommen.
Für die Zukunft gibt es bereits Pläne, die Luftkunst aus dem Museum stärker in die Stadt zu bringen: Auf einer „Airlinale“ sollen Filme auf aufblasbaren Projektionsflächen gezeigt werden. Auch religiöse Anspielungen werden wieder ihren Platz finden: Koch und seine Mitstreiter liebäugeln mit einem „pneumatischen Kirchentag“, bei dem die Gottesdienste in einer aufblasbaren Kirche abgehalten werden sollen. Wenn dann jemand den Stöpsel zieht, wird das Pfingstbrausen für die Gottesdienstbesucher leibhaftig erfahrbar.
Luftmuseum in Amberg, Öffnungszeiten: April-September (Oktober bis März), Dienstag bis Freitag, 14-18 Uhr (14-17 Uhr), Samstag, Sonntag und an Feiertagen, 11-18 Uhr (11-17 Uhr).