Seifenblasen und viel Gesang
Pfarrerin Dorothea Prüßner-Darkow beginnt die Andacht mit dem Psalmgebet „Danket dem Herrn“. Zwar sind nur wenige Gäste in die Kapelle der Neustädter Marienkirche in Bielefeld gekommen. Doch die, die da sind, kennen den Text auswendig und singen auch bei den folgenden Liedern kräftig mit. Auf Einladung der Bielefelder Lydia-Kirchengemeinde und des Evangelischen Johanneswerks feiern sie einen Gottesdienst für Menschen mit und ohne Demenz.
Bekannte Kirchenlieder, das Vaterunser, die gewohnte Liturgie – das weckt Erinnerungen bei den an Demenz Erkrankten und gibt ihnen Sicherheit. „Es ist ganz wichtig, an vertraute Dinge anzuknüpfen“, sagt Diakonin Titia Krull, die den besonderen Gottesdienst mitgestaltet und die Lieder auf der Gitarre begleitet.
Musik ist ein zentrales Element. Sie löst Emotionen aus und spricht die Menschen an, auch wenn das Gedächtnis nachlässt, wie Krull erläutert, die im Johanneswerk für die stationäre Altenhilfe zuständig ist und dort regelmäßig Gottesdienste mit Demenzkranken feiert. Mit ihrer Kollegin Melanie Henke hatte sie die Idee, solche Gottesdienste in Bielefeld auch außerhalb von Senioreneinrichtungen anzubieten. Öffentlich, für alle, vor allem aber für Menschen, „die sich aufgrund ihrer Einschränkungen nicht mehr in einen regulären Gottesdienst trauen, aber auf den Kirchgang nicht verzichten möchten“, sagt die Diakonin.
Die Gottesdienst-Form ist kurz gehalten, rund 30 Minuten. Es wird viel gesungen und die Besucher werden immer wieder einbezogen. Titia Krull hat an diesem Mittwochmorgen kleine Röhrchen mit Seifenlauge in den Kirchenbänken verteilt und ermuntert die Besucher, Seifenblasen in die Luft zu pusten. Schon bald schweben schillernde Kugeln durch den Kapellenraum. „Seifenblasen zaubern uns ein Lächeln ins Gesicht und zerplatzen schnell. Wir können sie nicht festhalten. Sie bringen Freude für einen kurzen Moment“, sagt die Diakonin und fragt die Anwesenden: „Kennen Sie solche Seifenblasen-Momente in Ihrem Leben?“
Es ist der dritte Gottesdienst der Reihe, die seit diesem Jahr in der Bielefelder Altstadtgemeinde erprobt wird. Im Anschluss können die Gäste auf eine Tasse Kaffee oder Tee bleiben, sich austauschen und ins Gespräch kommen. Noch wird das Angebot eher zögerlich angenommen, wie Diakonin Krull und Pfarrerin Prüßner-Darkow einräumen. „Es braucht Zeit, bis sich das herumspricht und bekannter wird.“ Nächster Termin ist der 20. Februar 2025.
Die Anwesenden freut das. Die besondere Atmosphäre, die einfache und klare Sprache, der kleine Kreis – „das hat mir schon beim letzten Mal so gut gefallen“, sagt eine 55-jährige Teilnehmerin. Sie finde es wichtig, dass Menschen mit Einschränkungen in der Gesellschaft nicht ausgegrenzt werden und begrüßt das neue Gottesdienstformat. Eine andere Frau ist mit ihrem Mann gekommen, der eine beginnende Demenz hat. Beide gehen gerne in die Kirche und besuchen die klassischen Sonntagsgottesdienste. „Aber wir wollten uns das hier auch mal angucken.“
Schnell ist heiter-besinnliche halbe Stunde vorbei. „Aber man muss auf alles gefasst sein“, weiß Titia Krull. Es könne immer mal passieren, dass jemand dazwischenruft, unruhig ist, aufsteht oder einen Bewegungsdrang hat. Für sie sei es das Wichtigste, bei einem Gottesdienst für Menschen mit Demenz präsent und authentisch zu sein. „Viele können mit Worten nicht mehr viel anfangen, aber die Menschen spüren, wenn man sich ihnen zuwendet und nehmen trotzdem etwas mit.“