Sehnsucht nach Lebenskraft

Über den Predigttext zum Pfingstsonntag: Römer 8,9-11

Predigttext
9 Ihr seid nicht mehr von der menschlichen Natur bestimmt, sondern vom Geist Gottes. Denn der wohnt in Euch. Wer dagegen diesen Geist nicht hat, den Christus gibt, gehört auch nicht zu ihm. 10 Wenn Christus jedoch in euch gegenwärtig ist, dann ist euer Leib zwar tot aufgrund der Sünde. Aber der Geist erfüllt euch mit Leben, weil Gott euch als gerecht angenommen hat. 11 Es ist derselbe Geist Gottes, der Jesus von den Toten auferweckt hast. Wenn dieser Geist nun in euch wohnt, dann gilt:  Gott, der Christus von den Toten auferweckt hat, wird auch eurem sterblichen Leib das Leben schenken. Das geschieht durch seinen Geist, der in euch wohnt. (BasisBibel)

Pfingsten! Viele Menschen, junge, alte, die aus vielen Ländern zusammenkommen. Gottesdienste, die begeistern. Mitreißende Aktionen, Rückenwind für neue Anfänge und Begeisterung für Aufbrüche. Das verbinde ich mit diesem Fest.

Pfingsten 2022. In diesem Jahr sind Menschen angestrengt und erschöpft von der Pandemie. Viele fürchten, dass „Zeitenwende“ bedeutet: Was mir lieb und teuer war, ist vorbei. Stattdessen wachsen Probleme und Krisen weiter. Ich selbst sehne mich auch danach, aufzuatmen. Ich möchte die unbändige Lebenskraft spüren, die Gott schenkt.

Woher kommen Kraft, Liebe und Mut?

Woher kommt die Kraft, zu singen und loben? Woher die Liebe, Menschen zu helfen inmitten von Zerstörung und Gewalt? Wo kommt der Mut her, einfach mal was auszuprobieren und dafür anderes sein zu lassen? Wo kommt die Hoffnung her, dass Gottes Welt schon mitten unter uns ist und sich weiter Bahn bricht?

Paulus stellt uns heute ein überraschendes Pfingstbild vor: „Gottes Geist wohnt in euch. Es ist derselbe Geist Gottes, der Jesus von den Toten auferweckt hat.“
Vertraut ist uns zu Pfingsten, dass Gottes Geistkraft weht und wirkt, wie sie will. Belebend ist sie. Wild, spontan und umwerfend. Aber heute hören wir: Sie wirkt auch beständig. Ist wohnhaft, in uns. In jedem einzelnen Menschen.

Gottes Geistkraft als Mitbewohnerin? Ich denke an gemütliche WG-Abende und ausgelassene Feten. An die Schulter zum Ausheulen, als ich Liebekummer hatte und im Prüfungsstress war. Natürlich fallen mir auch die ewigen Diskussionen ums Spülen und Putzen ein, um den Einkauf und das gerechte Teilen der Kosten. In der Wohngemeinschaft konnten und mussten wir lernen, eine Lebensgemeinschaft zu werden.

Gottes Geisteskraft als Mitbewohnerin

So vorgestellt, stiftet Gottes Geistkraft in mir selbst Gemeinschaft. Ist meine Kraftquelle im Alltag, besonders dann, wenn ich mich verschließe und aufgeben will. Sie wirkt eher ruhig als aufbrausend. Aber sie ist stark. So stark, dass sie Gottes Auferstehungskraft allem entgegensetzt, was mir das Leben und mein Vertrauen nehmen will.

Diese Kraft Gottes wirkt gleichzeitig über mich hinaus. Sie hält die Sehnsucht nach Gottes Nähe und Gemeinschaft wach und hilft, um sie zu beten. Sie schenkt Aufmerksamkeit für Gottes Wirken in der Welt. Sie stiftet Gemeinschaft zwischen Menschen stiften.

Paulus liegt daran, in uns einzelnen Menschen das Vertrauen auf Gottes Geistkraft zu wecken. Und ihm liegt an lebendigen Gemeinden, in denen Gottes Geistkraft Menschen miteinander verbindet. Gemeinsam erfahren sie, wie Christus sie nach und nach verwandelt. Sie leben wie ein Körper mit vielen Gliedern und kommen so der Gestalt Christi immer näher.

Für alle erkennbar werden die Menschen mit ihren vielfältigen sozialen und kulturellen Herkünften schließlich „Eins in Christus“ sein.

So gelesen, gibt es zu Pfingsten 2022 eine Menge neu zu entdecken. Wir werden ermutigt zu neuen Anfängen inmitten all dessen, was zu Ende geht.

Ich denke an Jugendliche, die Woche für Woche für den Frieden beten. Mit alten Worten. Mit eigenen Worten. Ohne Worte. Sie sind wütend, sie klagen an. Sie halten die Sehnsucht wach: Das muss anders werden! Wenn sie beten, wächst ihnen mitten in der Ohnmacht Kraft zu. Sie sind mit anderen Menschen und mit Gott zusammen. Sie erfahren die Kraft des Geistes, der in ihnen wohnt.

Wir sind nicht allein auf uns gestellt

In der Pandemie sind viele Gewohnheiten brüchig geworden oder zu Ende gegangen. Mitten in alldem sind inspirierende Aufbrüche und Anfänge entstanden. Nicht nur junge Leute erzählen begeistert davon. Auf einmal arbeiten Gemeinden zusammen, engagieren sich Menschen, weil sie Gutes tun wollen. Menschen, die in ihren Wohnungen festsitzen, spüren: Ich bin nicht auf mich allein gestellt.

Im gemeinsamen Tun erfahren wir die verändernde Kraft des Geistes.