Seelsorge im Strandkorb

Die Urlauber sind zurück – und damit startet auch die Urlaubsseelsorge. Auf dem Programm stehen Gottesdienste, Konzerte und Geh-Gespräche. Ein Streifzug entlang der Ostseeküste.

Die Heringsdorfer Gemeinde auf Usedom bietet „Offenes Singen“ für Urlauber und Einheimische draußen auf dem Kirchhof
Die Heringsdorfer Gemeinde auf Usedom bietet „Offenes Singen“ für Urlauber und Einheimische draußen auf dem KirchhofPrivat

Ahlbeck/Binz/Kühlungsborn. „Ich bin eigentlich nicht so dafür, dass gute Konzerte und Gottesdienste als Urlauberseelsorge bezeichnet werden. Aber genau das machen wir hier auf der Insel im Sommer“, sagt Pastorin Christel Handt aus Binz auf Rügen. Binz sei in der Tourismussaison laut und trubelig. Da sei es wichtig, Orte der Ruhe zu schaffen. „Deshalb sind die Kirchen offen.“

Die Gäste kämen aber nicht mit Sorgen in die kühlen Räume. Sie seien viel mehr am Gebäude, den hiesigen Kirchenstrukturen und Konzerten interessiert. „Die richtige Urlauberseelsorge beginnt im Winter“, sagt die Pastorin. Immer wieder erreichen sie dann E-Mails von Gästen, die sich bedanken, und sie kommt mit ihnen ins Gespräch. „Diese Korrespondenz ist wie eine zweite Gemeinde, der Austausch sehr intensiv.“

Auch auf Usedom starten Gemeinden jetzt ihr Urlaubsangebot. „Wir machen in Ahlbeck opulentes Programm“, erzählt Pastor Henning Kiene. Fast täglich gebe es in den Sommermonaten Konzerte auf der gesamten Insel. Jeden Dienstag ab 18 Uhr kann auf der Kirchwiese in Ahlbeck auch endlich wieder gemeinsam gesungen werden. „Unser Publikum ist noch vorsichtig und sucht die Open-Air-Angebote“, sagt er.

Freude über kleine Dinge

Dienstags und freitags setzt sich Kiene gezielt in die Kirche, um mit Gästen ins Gespräch zu kommen: „Im Moment sind die Menschen erleichtert. Alle haben eine wahnsinnig schwere Zeit hinter sich“, berichtet er. Die meisten freuten sich nun mehr über die kleinen Dinge. Aber auch Sorgen würden angesprochen, und immer wieder komme die Frage: Was unternehmen wir mit unseren Kindern? Deshalb startet in Heringsdorf etwa wieder die Kinderkirche.

Pastor Matthias Borchert in Kühlungsborn hat eigens für die Urlauberseelsorge eine halbe Stelle, die aus dem Tourismusfonds der Nordkirche bezahlt wird. „Kirche am Urlaubsort“ heißt das Projekt, zu dem er damit gehört. „So habe ich gezielt Zeit, mit Menschen im Urlaub zu reden, die etwas auf der Seele haben“, erklärt er. Unter anderem bietet er mehrstündige „Radtouren zum Sonnenuntergang“ an. „Dabei kommen oft sehr gute und tiefgründige Gespräche zustande.“ Auch bei den Seelsorgegesprächen im Strandkorb beobachtet Borchert eine große Nachfrage. „Wir bieten außerdem Geh-Gespräche an, die unter einem bestimmten Thema stehen.“ Alles in allem sei es ein breites Angebot für Kinder, Erwachsene und vermehrt auch Jugendliche. Freiwillig anreisende Helfer bildete Borchert zu „Teamern“ aus, damit sie die Urlauberarbeit unterstützen und schließlich selbst Gruppen leiten.

„Wir sind bei Gott“

Neben Kühlungsborn gehören Büsum, Helgoland und Wyk auf Föhr, allesamt in Schleswig-Holstein, zum Projekt „Kirche am Urlaubsort“. „Wir richten uns damit an alle Urlauber“, erklärt Diakonin Angelika Michelly, die bei der Nordkirche für das Projekt zuständig ist. Mitarbeitende der Kirchengemeinden schaffen gezielt Treffpunkte für Kinder, Familien, Alleinreisende oder Senioren, die im Urlaub Kirche erleben wollen. „Wir haben viele Angebote insbesondere für Familien mit Kindern dabei, die von der Gute-Nacht-Geschichte über das Geschichtenbuddeln am Strand bis hin zu einer digitalen Schnitzeljagd reichen“, erzählt Michelly.

Was zunächst nach Ferienprogramm klingt, ist als „Kirche zum Erleben“ gedacht. „Kirche umfasst Nächstenliebe, Gemeinschaft und Sorglosigkeit, die wir vermitteln wollen“, erklärt die Diakonin. „Wir wollen Erfahrungs­­räume schaffen, die zeigen: Wir sind bei Gott.“ Mit niedrigschwelligen Angeboten könne man viele Menschen erreichen.