Schuster: Judenhass unter Migranten und Linken ist ein Problem

Seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel sieht der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, in Deutschland Probleme vor allem mit Antisemitismus unter Migranten mit arabischen und türkischen Wurzeln sowie aus dem linken Spektrum. „Man darf den Einfluss der israelfeindlichen Auftritte von Präsident Erdogan und seines Lobes für die Hamas nicht zu klein einschätzen“, so Schuster im Interview der „Zeit“ (Donnerstag).

Auch seien seit den Hamas-Attacken vom 7. Oktober antisemitische Äußerungen und Aktionen verstärkt aus „linken, leider auch akademischen Kreisen“ zu beobachten. „Die Bedrohung aus dem rechtsextremen Lager ist nicht verschwunden. Nur haben die anderen gerade die lautere Stimme“, betonte Schuster. Jüdinnen und Juden wollten aber frei leben in Deutschland, ihrem Land. Derzeit habe sich das Leben vor allem in Berlin und Städten in Nordrhein-Westfalen für sie negativ verändert.

„Ungefähr 20 Prozent der deutschen Bevölkerung haben antijüdische Vorurteile. Das heißt: Die Mehrheit denkt nicht so. Zu schaffen macht mir aber die Gleichgültigkeit“, sagte Schuster: „Die Hamas ruft den Tag des Zorns aus, Eltern haben Angst, ihre Kinder in jüdische Kindergärten zu schicken oder zum Sport, aber sehr vielen ist das völlig egal. Sie denken nichts. Sie sagen nichts. Der Hass auf uns berührt sie nicht.“ Dieses Schweigen sei bitter.

Er habe volles Verständnis für Menschen in Deutschland, die für die Zivilbevölkerung in Gaza auf die Straße gingen. „Nur habe ich kein Verständnis, wenn die Hamas völlig außen vor und damit Ursache und Wirkung ausgeblendet bleibt. Und wenn in dem Zusammenhang das Existenzrecht Israels angezweifelt wird, dann ist es blanker Antisemitismus.“

Schuster, der in Haifa geboren wurde, verwies auf seine deutsche und israelische Staatsangehörigkeit. Israel stehe dafür, dass jeder Jude und jede Jüdin zu jeder Zeit das Recht habe, einzuwandern. „Wenn es diese Lebensversicherung in den Dreißigerjahren gegeben hätte, wäre es nicht zu dem gekommen, zu dem es gekommen ist. Eine solche Verbindung ist stark.“

Die israelische Armee tue viel, um im aktuellen Krieg zivile Opfer zu vermeiden. Aber sie habe es mit einem Gegner zu tun, der Zivilisten als Schutzschilde benutze, so Schuster. „Die Hamas muss vernichtet werden, zum Wohle aller.“ Das sei schmerzhaft, aber der einzige Weg für eine friedliche Zukunft.

Zugleich kritisierte Schuster die israelische Regierung, insbesondere die geplanten Veränderungen in der Justiz. „Ich bin auch kein Freund der Koalition mit radikalen Siedlern.“ Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sei kein „Pfuscher“, sondern entscheide sehr bewusst. „Das ist fast noch problematischer.“