Schuldneratlas 2023: Verdeckter Anstieg der Überschuldung
Die Zahl überschuldeter Menschen in Deutschland ist 2023 im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen. Das geht aus dem aktuellen Schuldneratlas hervor, den die Neusser Wirtschaftsauskunftei Creditreform am Mittwoch vorstellte. „Die vermeintlich guten Werte trügen leider“, warnte allerdings Sprecher Patrick-Ludwig Hantzsch und verwies auf statistische Sondereffekte.
Zwar sei die Zahl der Überschuldeten im Jahr 2023 um 233.000 auf 5,65 Millionen gesunken und liege damit auf einem Tiefststand, so Hantzsch. Ohne statistische Sondereffekte gebe es aber erstmals seit 2019 einen Überschuldungszuwachs. Hintergrund sei eine Verkürzung der Speicherfristen für Restschuldbefreiungen von drei Jahren auf sechs Monate. Nach alter Lesart gebe es rund 17.000 Fälle mehr als 2022. Die Überschuldungsquote läge demnach eigentlich bei 8,51 Prozent und damit leicht über dem Vorjahr.
Grund für den Anstieg sind laut Hantzsch aktuelle Krisen. Während der Coronapandemie seit 2020 habe es, bedingt durch staatliche Hilfen und weniger Möglichkeiten zum Geldausgeben, einen Rückgang an Überschuldung gegeben. Jetzt aber verteuerten die multiplen Krisen, insbesondere die anhaltende Inflation und die hohen Zinsen, das Leben der Menschen. In den Folgemonaten sei mit einem Anstieg der Privatinsolvenzen zu rechnen.
Der Geschäftsführer von Creditreform, Michael Goy-Yun, fügte hinzu, dass es einen Anstieg der weichen Überschuldung durch nachhaltige Zahlungsstörungen gebe. Diesen führt er auf drastisch gestiegene Lebenshaltungs- und Energiekosten zurück, die den finanziellen Spielraum der Verbraucher deutlich einschränkten. Die steigende Nachfrage nach Ratenkrediten und „Kauf jetzt, zahl später“-Angeboten, die vor allem auf Jüngere und Frauen abzielten, bestätigten den Konsumtrend. Bei jungen Menschen unter 29 Jahren gebe es erstmals einen Anstieg der Überschuldung seit dem Jahr 2013.
Ähnliche Überschuldungstrends zeichnet der Schuldneratlas auch für Länder und Kommunen. Demnach weisen zwar 394 Kreise und kreisfreie Städte (98,5 Prozent) einen Rückgang der Überschuldungsquote auf. Allerdings sei bei 57 Prozent gleichzeitig die weiche Überschuldungsquote angestiegen.