Schriftstellerin Margaret Atwood wird 85 Jahre alt
Die kanadische Autorin hat ungefähr jede wichtige literarische Auszeichnung bekommen. Stolz ist sie auch darauf, dass ihr Buch “The Handmaid’s Tale” aus US-Schulbibliotheken verbannt wurde.
“Preise sind nur Preise”, sagte Margaret Atwood vor zwei Jahren im Interview mit dem “Spiegel”. Man sollte sie nicht zu ernst nehmen, meinte sie lässig zu dem Hinweis, dass sie schon seit Jahren für die höchste und renommierteste Auszeichnung im Literaturbetrieb im Gespräch wäre. Auch in diesem Jahr ist es wieder nichts geworden mit dem Literaturnobelpreis, aber das kann der kanadischen Autorin in der Tat egal sein. Ihre Werke sind Bestseller und ihre Stimme als politische Aktivistin hat Gewicht. Am Montag wird sie 85 Jahre alt.
Ihr Werk umfasst mehr als 50 Bücher, darunter Romane, Essays und Gedichte, die in über 45 Ländern erschienen sind. Zuletzt ist von ihr auf Deutsch der Band “Hier kommen wir nicht lebend raus” mit Erzählungen veröffentlicht worden.
Atwood gilt als Meisterin dystopischer Romane, in denen die Welt kein guter Ort ist. Aber sie ist voller Hoffnung, dass die Zukunft nicht so schlimm wird wie von ihr beschrieben. “Solange wir Hoffnung haben – und die haben wir noch – werden wir Geschichten erzählen.” Das Geschichtenerzählen und der Wunsch, Geschichten zu hören, sie weiterzugeben und Sinn aus ihnen zu ziehen, sei Teil des menschlichen Wesens.
Atwoods größter Erfolg ist der 1985 veröffentlichte Roman “The Handmaid’s Tale – Die Geschichte der Dienerin”, der sowohl als feministisches Meisterwerk wie als Klassiker der Literaturgeschichte gilt und sogar im Englisch-Unterricht gelesen wird.
In dem Roman geht es um den christlich-fundamentalistischen Staat Gilead auf dem Boden der ehemaligen USA. In der Diktatur sind Frauen komplett entrechtet. Die Frauen, die als Dienerinnen bestimmt sind, sollen nach einer monatlichen rituellen Vergewaltigung als Gebärmaschinen dienen.
Das Buch war von Anfang an erfolgreich. Die Autorin erklärt sich das so: “Wahrscheinlich jagt er einfach jeder Generation aufs Neue Angst ein.” So entstanden Filme, eine Oper, ein Ballett und Theaterstücke auf der Basis des Romans, doch erst die Serie des Streamingdienstes Hulu erzielte außergewöhnliche Wirkung. Denn die erste Staffel wurde im April 2017 ausgestrahlt, also nur wenige Monate, nachdem der damalige US-Präsident Donald Trump sein Amt angetreten hatte. Damals war die Angst der Frauen groß, dass es zu einer Einschränkung ihrer Rechte kommen könnte. Das ist momentan wieder Fall, nachdem Donald Trump die Wahl gewonnen hat.
Schon im Mai 2017 wählten Frauen die mittlerweile ikonischen Bekleidungsstücke der Dienerinnen, roter Umhang und weiße Haube, um zu protestieren. Der Umhang und die Haube gelten aktuell als wirkmächstigste Symbole des feministischen Protests. Denn wenn Frauen so gekleidet erscheinen, brauchen sie nichts zu sagen oder Schilder hochzuhalten. Man weiß, dass Frauenrechte in Gefahr sind. Margaret Atwood betrachtet diese Proteste mit großem Wohlwollen.
Sie sah es ebenfalls mit Zufriedenheit, dass ihr Werk jenes Buch für Erwachsene war, dessen Verbannung aus US-amerikanischen Bibliotheken 2019 am häufigsten gefordert wurde. “Wenn man Schriftstellerin ist und einen jeder mag, dann macht man a) etwas falsch oder b) existiert nicht”, sagte sie in einer Reaktion. “Ich kann mich glücklich schätzen, dass ich in einer Demokratie lebe, denn so bin ich nicht im Gefängnis oder werde aus einem Flugzeug geworfen.”
Damit die Zukunft nicht so schlecht wird, wie sie Atwood in ihren Büchern beschreibt, engagiert sich die Schriftstellerin auch als politische Aktivistin: für Menschenrechte, für Geschlechtergerechtigkeit und vor allem gegen den Klimawandel. Denn wenn die Welt unbewohnbar gemacht worden ist, nützen einem auch keine Menschenrechte mehr, hat sie zu verstehen gegeben. Und Bücher machten auch keinen Sinn mehr, da es dann keinen mehr gebe, der sie lese.
Bei der US-Wahl hat sie sehr deutlich ihre Sympathien für die unterlegene Kandidatin Kamala Harris gezeigt wegen deren Einsatz für die Frauenrechte. Am Wochenende vor der Wahl postete sie auf der Social Media Plattform X eine Karikatur zu diesem Thema, auf dem die Dienerinnen zu sehen waren. Was passierte? Ein Mann erklärte ihr ihren Roman. Nach der Wahl erklärte sie eben dort, dass Verzweiflung keine Option sei. Sie helfe niemandem.
Seit Mitte der 1980er Jahre ist die Autorin international vielfach ausgezeichnet worden. Sie hat jeden wichtigen Preis erhalten; den renommierten Booker Preis sogar zweimal. 2017 bekam sie den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels für “ihr politisches Gespür und ihre Hellhörigkeit für gefährliche unterschwellige Entwicklungen und Strömungen”.