Was haben Bär und Geier, Löwe, Adler und Motte gemeinsam? Natürlich sind es alles Tiere und sicher vermuten auch viele, dass diese Tiere in der Bibel vor kommen. Das Besondere dabei ist jedoch, dass diese Tiere nicht nur in der Bibel vorkommen, sondern da auch mit Gott in Beziehung gebracht werden. Genauer gesagt: Gott wird mit diesen Tieren umschrieben – oder anders gesagt: Eigenschaften dieser Tiere gelten als Eigenschaften Gottes.
Tiere werden so in die Nähe Gottes gerückt. Als Gottes Schöpfung sind Tiere sogar älter als Menschen. Am fünften Schöpfungstag werden nach dem ersten Schöpfungsbericht die Lebewesen des Wassers und der Luft, am sechsten Schöpfungstag alle an Land lebenden Tiere und schließlich auch der Mensch geschaffen.
Der Mensch als Teil der Schöpfung
Biblisch verstanden ist der Mensch aber nicht Krone der Schöpfung – diese ist der Ruhetag –, sondern die Schöpfung ist das Fundament, damit wir Menschen überhaupt leben können. Die Gottebenbildlichkeit des Menschen und der Herrschaftsauftrag über die Welt werden missverstanden, wenn wir daraus schlussfolgern würden, Tiere als Objekte zu betrachten, die unserem Belieben anheimgestellt sind.
Tiere sind Mitgeschöpfe und sind in beiden Schöpfungsberichten nicht als Nahrung für uns Menschen vorgesehen. Nach der Gottebenbildlichkeit und dem Herrschaftsauftrag (Genesis 1,27.28) wird genau das klargestellt (Genesis 1,29). Der Mensch ist als Vegetarier geschaffen. Vielleicht zeigt sich die Gottebenbildlichkeit genau darin, dies zu beherzigen. Erst nachdem die beiden ersten Menschen sich bewusst gegen Gottes Weisung gestellt haben, gerät Fleisch auf den menschlichen Speiseplan.

Tiere als Subjekte, nicht als Objekte
Daraus und aus der Beobachtung, dass Gottes Eigenschaften mit denen von Tieren verglichen werden, wird deutlich: Tiere sind keine Objekte, über die wir als Menschen verfügen können, sondern Subjekte, die genauso ihre Daseinsberechtigung haben. Mehr noch: Sie haben ihre So-Seins-Berechtigung. Die meisten Tiere, gerade in unseren Breiten, stellen für uns keine existenzielle Bedrohung dar. Dennoch meinen wir Menschen oft genug, sie töten zu müssen. Dies fängt bereits im Kleinen bei der Fliegenklatsche im Haus und dem Ameisengift auf dem Rasen an. Es führt bis zum systematischen Einsatz von Insektiziden und zur Massentierhaltung einer ausufernden Fleischproduktion, bei der Tiere als Nahrungsmittel des Menschen verzweckt werden.
Die Ethik Albert Schweitzers als Ethik der „Ehrfurcht vor dem Leben“ kann helfen, einen anderen Blick auf das Tierleben einzunehmen. Schweitzer sagt: „Ich bin Leben, das leben will inmitten von Leben, das leben will.“ Mein eigener Wunsch zum Leben und zum Überleben ist demnach nicht mehr und nicht höher zu bewerten als das Bestreben anderer Lebewesen, leben zu wollen. Damit sind ausdrücklich nicht nur Menschen, sondern auch Tiere gemeint.
Gleiche Würde für alle Tiere
„Ethik besteht also darin, dass ich die Nötigung erlebe, allem Willen zum Leben die gleiche Ehrfurcht vor dem Leben entgegen zubringen wie dem eigenen. Damit ist das denknotwendige Grund prinzip des Sittlichen gegeben. Gut ist, Leben erhalten und Leben fördern, böse ist, Leben vernichten und Leben hemmen.“ So drückt es Albert Schweitzer aus.
Aus einer solchen Haltung heraus ist es unsere Pflicht als Christin und Christ, Tieren die gleiche Würde zuzuerkennen, wie uns selbst. Bei Tieren, die wir mögen, die wir möglicherweise auch als Haustiere halten, mag uns das leicht fallen. Es gilt aber eben auch für Tiere, mit denen wir möglicherweise unsere Schwierigkeiten haben. Der Mücke, der Ratte und der Schlange kommt die gleiche Würde zu wie der Katze, dem Hund und dem Panda.
Menschen und Tiere vor Gott gleich
„Gott, du hilfst Menschen und Tieren“ – so lautet das diesjährige Motto des Tags der Schöpfung am 5. September. Es nimmt Bezug auf Psalm 36: „Herr, deine Güte reicht, so weit der Himmel ist, und deine Wahrheit, so weit die Wolken gehen. Deine Gerechtigkeit steht wie die Berge Gottes und dein Recht wie die große Tiefe. Herr, du hilfst Menschen und Tieren.“
Bei Gott gibt es demnach keine Unterscheidung zwischen Menschen und Tieren. Sie sind seine Schöpfung und stehen auf einer Stufe. Nicht nur wir Menschen sind auf Gottes Beistand und Hilfe an gewiesen, sondern gleichermaßen auch die Tiere. Als Menschen stehen wir damit gemeinsam mit den Tieren in einer Beziehung zu Gott dem Schöpfer. Das Wahr zunehmen und Anzuerkennen ist unsere Verantwortung als Christenmenschen.
Die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK) hat eine revidierte Broschüre zu Geschichte und Gestaltung des Ökumenischen Tags der Schöpfung vorgestellt.
Die Publikation bietet neben umfangreichen Hintergrundinformationen zur biblischen und theologischen Bedeutung des Ökumenischen Tages der Schöpfung zudem praxisnahe Erfahrungsberichte aus den
vergangenen Jahren. Die Broschüre kann über den Online-Shop der ACK in Deutschland bestellt werden oder auf deren Homepage heruntergeladen werden. Weitere Informationen unter: www.oekumene-ack.de
Jens Mruczek ist geschäftsführender Pfarrer der Gesamtkirchengemeinde an Löcknitz und Spree und stellvertretender Superintendent im Kirchenkreis Oderland-Spree.
