Schlechte Fischbestände: Experten fordern einfachere Rechenmodelle

Das Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel fordert einfachere und realistische Modelle zur Bestimmung von Fischbeständen. Bislang galt als Hauptursache der Überfischung, dass die Fischereipolitik Fangmengen höher festlegte als von der Wissenschaft empfohlen, wie das Geomar am Donnerstag mitteilte. Eine neue Studie von vier australischen Forschungsinstituten zeige nun, dass auch die Empfehlungen der Wissenschaft oft bereits zu hoch waren und weitaus mehr der weltweiten Fischbestände als überfischt oder kollabiert einzustufen sind.

Für die Studie wurden Daten von 230 Fischbeständen weltweit analysiert. Die Wissenschaftler stellten fest, dass Bestandsabschätzungen oft viel zu optimistisch waren. Besonders betroffen sind durch Überfischung geschrumpfte Bestände, was zu sogenannten Phantom-Erholungen führte. Die Bestände wurden als erholt eingestuft, obwohl sie in Wirklichkeit weiter schrumpften. „Das führte dazu, dass Fangmengen nicht ausreichend reduziert wurden, obwohl es dringend notwendig gewesen wäre“, erklärte Geomar-Experte Rainer Froese.

Die Studie zeigt, dass fast ein Drittel der Bestände, die von der Welternährungsorganisation (Food and Agriculture Organization) als „maximal nachhaltig befischt“ eingestuft werden, die Schwelle zur Überfischung bereits überschritten haben. Zudem sind weit mehr Bestände zusammengebrochen als bisher angenommen: Innerhalb der Kategorie „überfischt“ schätzen die Autoren der Studie, dass die Zahl der kollabierten Bestände wahrscheinlich um 85 Prozent höher liegt ist als bisher angenommen.

Die Verzerrung in den Bestandsbewertungen sei auf Modelle zurückzuführen, die mehr als 40 verschiedene Parameter enthalten können, etwa zur Lebensgeschichte der Fische, zu Fangdetails, und zum Fischereiaufwand, so Froese. Diese Vielzahl von Variablen mache die Abschätzungen unnötig komplex.

Eigentlich sei nachhaltige Fischerei aber ganz einfach. „Es darf immer nur weniger Fisch entnommen werden als nachwächst“, erklärt der Experte. Die Fische müssten sich vermehren können, bevor sie gefangen werden, außerdem brauche es umweltschonende Fanggeräte und die Einrichtung von Schutzzonen. Funktionelle Nahrungsketten müssten erhalten werden, indem weniger Futterfische wie Sardellen, Sardinen, Heringe oder auch Krill gefangen werden. Froese: „Vier dieser fünf Prinzipien lassen sich auch ohne Kenntnis der Bestandsgröße umsetzen.“