Sangesfreude pur

Vielfältig gehört. Gern bei Konzerten in der Kirche. Vielfältig praktiziert. Gern in Kirchen- und Projektchören. Musizieren unter Kindern und Jugendlichen immer beliebter. In Schulen aber Problemfach

Musik hört der moderne Stadtbewohner überall. Sie wird von Menschen in der Fußgängerzone gemacht, tönt aus tragbaren Lautsprechern anderer Passanten, dudelt aus der Telefon-Warteschleife oder den Lautsprechern von Mode-Geschäften. Abgesehen von dieser unfreiwilligen Beschallung hören die Deutschen gerne Musik: Alleine 4,3 Milliarden Euro haben sie 2016 für Konzerttickets oder Tonträger aller Art ausgegeben.
Dabei geht die Zahl der Opern- oder Musicalbesucher zurück. Das Deutsche Musikinformationszentrum gab kürzlich bekannt, dass noch 5700 Opernvorstellungen besucht wurden und 1,4 Millionen Menschen in Musicals gingen. Mit 400 000 Besuchen hat sich die Nachfrage nach Operetten gar halbiert. Konstant geblieben ist allein die Zahl der Tanz- und Ballettbesuche – mit 1,6 Millionen. Jedoch geht das Angebot seit der Jahrtausendwende immer weiter zurück.
Mehr Zuspruch dagegen fanden Konzerte mit klassischer Musik – besucht von 18 Prozent der Bevölkerung – sowie Orgel- oder Chorkonzerte in Kirchen, die bei 22 Prozent der Deutschen Anklang fanden. Hier jedoch hören die nicht nur gerne zu, sie musizieren auch gerne selbst: Gerade in den katholischen und evangelischen Chören tummeln sich 850 000 Sängerinnen und Sänger. Zusammengenommen singen 2,1 Millionen Menschen in Chören. Weitere 800 000 sind Instrumentalisten in Ensembles oder Chören.
Insgesamt, so das Musikinformationszentrum, musizierten 14 Millionen Menschen in ihrer Freizeit in Vereinen und Verbänden. Und diese werden immer ausdifferenzierter: Die einzelnen Gruppierungen spezialisieren sich zunehmend auf bestimmte Stilrichtungen, Repertoires, Altersgruppen oder das soziale Umfeld. Immer wieder gibt es auch Ensembles, die für spezifische Projekte entstehen, sich danach aber wieder auflösen. 2,4 Millionen Euro haben die Hobby-Musiker 2016 insgesamt in Musikinstrumente, Noten und Unterrichtsstunden investiert.
Auch unter Kindern und Jugendlichen wird das Musizieren immer beliebter. Knapp 30 Prozent der unter 17-Jährigen musizierten demnach 2015 regelmäßig. Zehn Jahre zuvor seien es nur 19 Prozent gewesen. Und hierbei gilt: Je jünger, desto mehr Musik. In Familien mit Kindern unter sechs Jahren wird besonders häufig gesungen.
Problematischer sieht es allerdings im Schulunterricht aus: „Unterrichtsausfall im Fach Musik an allgemeinbildenden Schulen ist ein bundesweites Problem“, stellt das Musikinformationszen­trum fest. Zudem sei davon auszugehen, dass nur 20 bis 30 Prozent des Musikunterrichts von fachspezifisch ausgebildeten Lehrern erteilt werde. 70 bis 80 Prozent des Unterrichts werde fachfremd erteilt – oder falle ganz aus. In den späteren Schuljahren sieht es nur bedingt besser aus: Zwei Drittel der Schüler in den oberen Jahrgangsstufen hatten im Schuljahr 2017/18 gar keinen Musikunterricht. Und nur 1,9 Prozent absolvierten das Fach mit erhöhtem Anforderungsniveau.
Auf grundlegendem Anforderungsniveau sei immerhin ein Anstieg an Interesse deutlich spürbar. Das zeige sich etwa an den 930 öffentlichen Musikschulen mit 4000 Standorten, die 2016 rund 1,4 Millionen Schüler unterrichtet haben.