Welch ein Kontrast: Wenn sich eine Raupe vollgefressen hat, ver-puppt sie sich in ihrem Kokon und verharrt in ihrer Hülle, erdenschwer, im Dunkeln. In einer Woche, einem Winter, manchmal über Jahre vollzieht sich im Innern der Puppe ein unglaublicher Prozess: Der Körper löst sich fast völlig auf, verflüssigt sich und formt sich zum Schmetterling um, der mit seinen bunten Flügeln aus der abgestorbenen Hülle zum Licht emporstrebt, erhaben und leicht.
Seele als der unzerstörbare Teil des Menschen
Die Gaukler der Lüfte sind wundersame Insekten. Sie schmecken mit den Füßen und riechen mit ihren Fühlern. Am meisten fasziniert aber das Mirakel ihrer körperlichen Verwandlung: vom Ei zur Larve zur Raupe in der Puppe zum Falter. Für ihn und für die Seele hatten die alten Griechen nur ein Wort. Sie nannten beides Psyche. Die Seele galt als der unzerstörbare Teil des Menschen, der ihn beflügelt über den Tod hinaus.
Die Kirchenväter griffen den Schmetterling als Symbol in ihren Predigten bereitwillig auf. So erinnerte Basilius der Große die an der Auferstehung zweifelnden Christen von Cäsarea: „Denkt an die Verwandlung dieses Tierchens, und erkennt darin einen deutlichen Fingerzeig.“
Vor allem Kindern sei dieser Vergleich bis heute unmittelbar einleuchtend, wissen Religionspädagogen. Vielleicht weil alle Eric Carles prächtig illustrierten Bilderbuchklassiker von der „kleinen Raupe Nimmersatt“ kennen. So wie diese geheimnisvoll verwandelt aus ihrem Kokon schlüpft, tritt Jesus aus dem dunklen Grab in ein neues Leben.
Auch Schriftsteller wie Heinrich Böll ließen sich von den „lepidoptera“, den Schuppenflüglern anregen, wie die wissenschaftliche Bezeichnung der Tiere lautet. „Wenn die Raupen wüssten, was einmal sein wird, wenn sie erst Schmetterlinge sind, sie würden ganz anders leben: froher, zuversichtlicher und hoffnungsvoller“, dichtete er. „Der Schmetterling erinnert uns daran, dass wir auf dieser Welt nicht ganz zu Hause sind.“
Die Schweizer Ärztin und Sterbeforscherin Elisabeth Kübler-Ross spendete Trost mit der Bemerkung: „Wenn wir den Körper ablegen, werden wir frei sein von Schmerzen, Angst und allem Kummer. Wie ein bunter, schöner Schmetterling dürfen wir heimkehren zu Gott.“
Wie aber kommt der Schmetterling zu seinem deutschen Namen? Wer an das kräftige Verb „schmettern“ denkt, liegt falsch. Vielmehr ist das erst seit dem 16. Jahrhundert gebräuchliche Wort verwandt mit dem tschechischen „smetana“ (Milch) und dem in Bayern und Österreich gebräuchlichen Begriff „Schmand“. Im Volksglauben galten Schmetterlinge als verwandelte Hexen, die Milch und Sahne stahlen. Einige Tiere stehen tatsächlich im Ruf, davon angezogen zu werden. Darauf verweisen auch regionale Bezeichnungen wie „Buttervogel“ oder „butterfly“ im Englischen.
Der aus dem Eichsfeld stammende Jesuit Thomas Gertler bot einmal in einer Osterpredigt eine eigene Herleitung. Der Schmetterling heiße so, „weil seine Flügel so samten sind und zart wie reine Sahne“. Und „so sanft und zart, so duftig und leicht wie der Flügelschlag eines Schmetterlings“ sollten sich seine Zuhörer vom neuen Leben des Auferstehungsmorgens berühren lassen.
Manch kritischen Zeitgenossen ist die Metamorphose des Schmetterlings jedoch kein taugliches Bild für den Übergang vom Tod zum unvergänglichen Leben. Schließlich sei die Raupe nicht wirklich tot, wenden sie ein. Und wenn die Flattermänner noch mit feuchten Flügeln gen Himmel auffahren, bliebe manchen von ihnen gerade mal ein Tag für ihren bunten Tanz. Das sei dann doch etwas kurz, gemessen an der Ewigkeit.
