Rückblick: Corona-Maßnahmen

Die Corona-Regeln laufen aus. Aber wir sollten nicht zu schnell zur Tagesordnung übergehen.

Ein Graffito zum Thema Corona-Schutzmaßnahmen
Ein Graffito zum Thema Corona-SchutzmaßnahmenPD/Roland Steinmann

Alle Corona-Schutzmaßnahmen des Bundes endeten mit Ablauf des 7. April. Aus diesem Anlass blickt die freie Autorin Katharina Körting auf die vergangenen drei Jahre und die Folgen der Corona-Regeln zurück.

Dies ist ein Schuldeingeständnis: Meiner Gemeinde, meiner Kantorei habe ich mich ziemlich entfremdet. Während der Corona-Zeit, als nicht nur die Schulen, sondern auch die Chöre und sogar die Gottesdienste geschlossen oder nur bei strikter Beachtung von Sitzregeln und Desinfektionsmitteln betretbar waren – es gab böse Blicke und harte Worte –, als sogar die Kirche einen Impfnachweis als Bedingung fürs Mitbeten diskutierte, wurde ich zuerst ärgerlich, dann traurig. Oder umgekehrt.

Nun sind fast alle so genannten Maßnahmen ausgelaufen. Meine Kinder haben das erzwungene Fernstudium überstanden beziehungsweise ihr Corona-Abitur ­geschafft und gehen wieder Party machen. Die Masken sind fort, die Kirchen offen. Doch für mich ist es noch nicht vorbei. Das wurmt mich selbst: Normalerweise vergesse ich rasch, aber hier bin ich nach­tragend.

Wo bleibt das Schuldeingeständnis?

Ich warte auf das Mea Culpa der Entscheidungsträger auch in der Kirche, die sich, in meiner Wahrnehmung, allzu rasch einigen Denkverboten und dem Starren auf Zahlen ergaben. Es ging nicht anders, wird erklärt, man habe ja nicht wissen können … – Genau!, möchte ich einwenden, aber dieses Nichtwissen gilt in beide Richtungen!

So, wie niemand wissen konnte, wie gefährlich das Virus ist, so konnte auch niemand wissen, was Schulschließungen und verordnete Vereinsamung ausrichten. Und doch wurden sie, Warnungen ­ignorierend, im Namen der Wissenschaft beschlossen und als alternativlos verkündet. Wer zweifelte, landete flugs in der rechten Ecke oder vor der Kirchentür.

Moralisch korrekt?

Natürlich weiß ich, dass man Dinge immer so und so sehen kann, aber in der Corona-Zeit schien es nur eine moralisch korrekte Sichtweise zu geben. Das war (und ist) wenig hilfreich. Und das nehme ich, Gott verzeih’ mir, immer noch übel.

Meine Kinder verbergen ihre Narben, haben aber Vertrauen in staatliche Institutionen und in ­Medien eingebüßt oder eine Computerspielsucht entwickelt. Eine Schwester hat Angst, unter Leute zu gehen. Ich selbst spüre Bitterkeit wegen all der Einsamkeit, die auch in vielen Gemeinden ohne gesetzliche Verpflichtung in vorauseilendem Gehorsam vergrößert wurde.

Wie machen wir es künftig besser?

Natürlich war das gut gemeint – aber war es wirklich gut gemacht? Und wurde es immer richtig kommuniziert? Sollten wir nicht gemeinsam darüber nachdenken, wie wir miteinander, mit Meinungen und mit Ängsten, umgegangen sind, anstatt einfach zur Tagesordnung überzugehen? Damit nichts nachzutragen bleibt und wir einander tatsächlich verzeihen können. Und um es künftig besser zu machen.

Ich habe jetzt einen neuen Chor gefunden und bin froh. Wir singen „Lord, in thee have I trusted“. Auch wenn ich zwischendurch den Faden verliere, die Koloratur verpeile, ­Panik bekomme – „Wo sind wir?“ – oder den Ton noch nicht treffe, ­spüre ich: Die Chorgemeinschaft hält mich. Die Komposition trägt uns, wie Gott uns alle trägt, denn ­eine Chorprobe ist wie ein Gottesdienst. Gemeinschaft! Nicht per Zoom im Irgendwo, sondern als Körper mit Seelen im selben Raum.

Verborgene Not

Sogar ich, mit meinem Ärger, meinen Selbstzweifeln, meiner Traurigkeit, meiner heimlichen Überschwänglichkeit, meiner verborgenen Not, darf mitbeten, also: singen. Mit jedem Ton bitte ich um Verzeihung für meinen Groll. Und sage Danke für alle Mühe. Und für das Glück, am Leben zu sein.