Ruanda erinnert an den Völkermord vor 30 Jahren

Ruanda war schon länger ein Pulverfass, als die Gewalt im Frühjahr 1994 eskalierte. 800.000 bis eine Million Menschen sollen dem Völkermord zum Opfer gefallen sein.

In Ruanda erinnern die Menschen am Sonntag (7. April) an den Beginn des Völkermordes vor 30 Jahren. An der zentralen Gedenkstätte in der Hauptstadt, dem Kigali Genocide Memorial, wird an diesem Tag eine „Flamme der Erinnerung“ entzündet; Würdenträger wollen Kränze an den Massengräbern niederlegen.

Am 6. April 1994 wurde das Flugzeug des ruandischen Präsidenten Juvenal Habyarimana, eines Hutu, abgeschossen. Am nächsten Tag brach eine Orgie der Gewalt über das ostafrikanische Land herein, gestartet durch ein verabredetes Radio-Signal. In 100 Tagen töteten radikale Hutu-Milizen Hunderttausende Angehörige der Tutsi-Minderheit und gemäßigte Hutu. Rund 2.500 UN-Blauhelme sahen dem Gemetzel tatenlos zu.

Bereits zuvor hatte es Kämpfe zwischen der ruandischen Armee und Rebellen gegeben. Radiosender verbreiteten Hassparolen, Milizen lieferten sich Straßenschlachten. Im Hintergrund stand ein vermeintlicher Rassenkonflikt zwischen Hutu-Ackerbauern und Tutsi-Viehzüchtern, der erst von den deutschen Kolonialherren und später von den belgischen Nachfolgern konstruiert wurde.

Vor allem die sogenannte erste Republik in Ruanda (1962-1973) war von Mordwellen an Tutsi, Flucht und Vertreibung geprägt. Im Gedächtnis der Hutu haften blieb wiederum das Tutsi-Massaker von 1972 an den Hutu im Nachbarland Burundi.

Heute seien die Kategorien Hutu und Tutsi offiziell verpönt, sagte der evangelische Pastor Jörg Zimmermann im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). „Aber mit Blick auf die Geschehnisse vor 30 Jahren wird dann doch vom ‚Genozid an den Tutsi‘ gesprochen. Da sind die alten Begriffe weiter präsent.“ Der heute in Neuss tätige Seelsorger ging Anfang der 90er Jahre für die Vereinte Evangelische Mission VEM nach Ruanda und erlebte dort die Anfänge des Völkermordes mit.

Auch Medien erinnern an den Genozid in Ruanda. Im deutsch-französischen TV-Sender Arte ist die Reportage „Ruanda: Vergebung von oben“ ab Freitagabend (5. April) abrufbar; die Deutsche Welle strahlt (Freitag) zunächst auf den YouTube-Channels von DW Documentaries den 86-minütigen Dokumentarfilm „Reclaiming History – Kolonialismus und der Völkermord in Ruanda“ des ruandischen Regisseurs und Filmemachers Samuel Ishimwe aus. Bereits abrufbar ist ein ARD-Radiofeature von Sabine Wachs mit dem Titel „Tödliches Schweigen – Doku über deutsches und französisches Versagen beim Völkermord in Ruanda“.