Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) mahnt angesichts der humanitären Katastrophe in Sudan mehr Aufmerksamkeit und Hilfe für die vom Krieg betroffenen Menschen an. In der Stadt Al-Faschir spitze sich die Situation „nochmals auf dramatische Weise zu“, warnte das DRK am Donnerstag in Berlin. Insgesamt seien in dem nordostafrikanischen Land 14 Millionen Menschen vertrieben worden, in keinem anderen Land gebe es mehr geflüchtete Menschen. 30 Millionen Menschen seien auf humanitäre Hilfe angewiesen.
„Die Lage im Sudan ist verheerend“, sagte DRK-Generalsekretär Christian Reuter. Es müsse gelingen, „deutlich mehr Aufmerksamkeit und Bemühungen auf das Land zu richten, um für Verbesserungen zu sorgen“. Die Zivilbevölkerung und die Helfenden im Sudan seien auf Unterstützung angewiesen. Auch Deutschland solle „einen deutlich größeren Beitrag leisten, damit das Leid gemindert wird“, sagte Reuter.
Jahrelanger Machtkampf
Im Sudan war im April 2023 ein Machtkampf zwischen der Armee und der RSF-Miliz eskaliert. Einer der Hauptschauplätze des Krieges ist die Darfur-Region. Seit dem Wochenende gibt es mit der Eroberung von Al-Faschir durch die paramilitärische RSF („Rapid Support Forces“) Berichte über Massaker an der Zivilbevölkerung. Die in der Darfur-Region gelegene Stadt war monatelang umkämpft.
Nach Angaben der sudanesischen Ärztegewerkschaft wurden in den ersten Stunden nach dem Einmarsch der Miliz schätzungsweise 2.000 Zivilistinnen und Zivilisten getötet. Die Gewerkschaft warf den RSF vor, ethnisch motivierte Massaker zu verüben. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig prüfen. Allerdings dokumentierten auch Fachleute der US-Universität Yale unter anderem auf der Grundlage von Satellitenbildern Hinweise auf Massentötungen. Allein bei einem Angriff auf das Krankenhaus „Saudi Maternity Hospital“ wurden laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mehr als 460 Menschen getötet.
„Gefährlicher Wendepunkt“
Bereits Anfang der 2000er Jahre hatten arabische Milizen, aus denen später die RSF hervorgingen, in Darfur Massaker an der schwarzen, nicht-arabischen Bevölkerung verübt. Schätzungen zufolge kamen damals rund 300.000 Menschen ums Leben, sie wurden getötet oder starben an Hunger und Krankheiten.
Die Europäische Union (EU) warnte am Donnerstag vor einem „gefährlichen Wendepunkt“ im Sudan-Krieg und rief alle Konfliktparteien dazu auf, umgehend zu deeskalieren und das humanitäre Völkerrecht zu achten. Man verfolge die Lage „extrem genau“, betonte ein Sprecher der EU.
Mangelnde Aufmerksamkeit
Kritik an der mangelnden Aufmerksamkeit für den Krieg im Sudan kam von der Konfliktforscherin Hager Ali. Es werde eine Verschiebung der Prioritäten von Ländern wie Deutschland deutlich, sagte die Sudan-Expertin vom Giga-Institut für Global- und Regionalstudien dem Evangelischen Pressedienst (epd). Der Konflikt tangiere weder die nationale Sicherheit noch direkt die Migration – und Deutschland wende seinen Blick weg von Entwicklungshilfe hin zu eigenen Verteidigungsthemen. Zum Beispiel komme der Gedanke an eine militärische Intervention in der Debatte gar nicht vor.
Ali kritisierte zugleich die Einmischung anderer Staaten in den Krieg. Mit ihren Waffenlieferungen an die RSF-Miliz hielten die Vereinigten Arabischen Emirate den Krieg am Laufen. Doch statt Druck auf die Emirate auszuüben, betonten die deutsche und die amerikanische Regierung immer wieder, wie wichtig diese als Handelspartner seien. Die Vereinigten Arabischen Emirate hätten es geschafft, sich im internationalen Sicherheits-Setup als unangreifbar zu positionieren: „Man will es sich mit ihnen nicht verscherzen.“
